"Unknown Identity": Kurzweil der Autoraserei

(c) Warner Bros. / Jay Maidment
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In "Unknown Identity" hetzt der katalanische Regisseur Collet-Serra Liam Neeson und Bruno Ganz durch Berlin: überkonstruiert und spektakulär. Der Thriller funktioniert hervorragend als altmodisches Verwirrspiel.

Man kann natürlich sagen, das alles ist schon mal da gewesen. Im Besonderen eine Hauptfigur, die ihre Identität verliert. Der katalanische Regisseur Jaume Collet-Serra (Orphan) versetzt dem Thriller-Gemeinplatz allerdings eine Frischzellenkur: Dr. Martin Harris (angenehm bescheuert: Liam Neeson) wird kurz nach der Ankunft in Berlin in einen Autounfall verwickelt. Nach Tagen erwacht er aus dem Koma, leidet an Amnesie und beginnt sich langsam wieder zu erinnern. Nur erinnert sich sonst niemand an diesen weltbekannten Wissenschaftler – am wenigsten seine Frau. Gemeinsam mit der resoluten Taxifahrerin Gina (herrlich unglaubwürdig als illegale Immigrantin: Diane Kruger) und durch Unterstützung eines ehemaligen Stasi-Offiziers (herausragend: Bruno Ganz) versucht der Mann ohne Namen dem Geheimnis um die Löschung seiner Identität auf den Grund zu gehen – und sieht sich in eine internationale Verschwörung verwickelt.

Vorbei am Brandenburger Tor

Unknown Identity orientiert sich stilistisch an flotten Euro-Thrillern, die aus dem Historienfundus der Alten Welt wüste Spannungsgeschichten zusammenspinnen. Gleich anfangs rasen die Berliner Sehenswürdigkeiten von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor am Zuschauerauge vorbei: Alles ist vollgesogen mit Geschichte, Collet-Serra inszeniert Berlin als hoffnungslos zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefangenen Ort. Nach dem Ende des Kalten Kriegs, nach dem Fall der Mauer sind die Machtkarten neu gemischt worden: Bruno Ganz' museale Altbauwohnung atmet noch den Geist einer bipolaren Machtordnung. Alles erscheint klar, aufgeräumt, überschaubar. Im Gegensatz zur Welt da draußen, in der ein Mann über Nacht seine Identität, seinen Besitz, sein Leben verlieren kann.

Zugegeben: Das Drehbuch ist überkonstruiert, immer wieder steuert Collet-Serra offensichtliche Plot-Punkte an, oft hört man bei den gestelzten Dialogen das Papier rascheln, auf denen sie geschrieben stehen. Schaden nimmt der Film dadurch aber kaum: Der Thriller funktioniert hervorragend als altmodisches Verwirrspiel und profitiert von den außergewöhnlichen Actionsequenzen. Vor allem eine Verfolgungsjagd quer durch die Stadt begeistert, in der Collet-Serra beweist, wie kurzweilig, abwechslungsreich und mitreißend Autos durch Straßenschluchten kurven können – auch wenn sie zwischenzeitlich in gewaltigen Handlungslöchern verschwinden. mak

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2011)

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