Four Lions: Die Attentäter sind einfach zu blöd!

(c) EPA (BRITTA PEDERSEN)
  • Drucken

Garantiert politisch unkorrekt und rabenschwarz : Eine schlaue Komödie über inkompetente islamische Terroristen: Das Kinodebüt von Kultkomiker Chris Morris wurde als "Presse"-Premiere vorgestellt.

In Hollywoods Action-Blockbustern sind Terroristen üblicherweise mit allen Wassern gewaschene Fädenzieher von komplizierten Verschwörungen. Hingegen erweist sich die islamische Terrorzelle in Four Lions, dem Kinodebüt des britischen Comedy-Genies Chris Morris, schon in den ersten Minuten des Films als zu blöd, um auch nur ein Bekennervideo aufzunehmen: „Mit einer Schachtel auf dem Kopf geht das nicht“, stöhnt dann Anführer Omar beim Betrachten der peinlichen Resultate. Die Möchtegern-Selbstmordattentäter aus einer britischen Industriestadt begehen im Weiteren eine Fehlleistung nach der anderen: Morris reiht sich da ganz in die Monty-Python-Traditionslinie von schlau-blödem Satire-Slapstick made in Britain. Garantiert politisch unkorrekt und rabenschwarz – und bei aller demonstrativen Dummheit der dilettantischen Jihadisten-Protagonisten eigentlich erstaunlich differenziert.

Satiren auf die mediale Sensationshysterie

Denn Morris, der sich vor allem durch bahnbrechende, kontroverse TV-Satiren wie Brass Eye einen Namen als originellster und subversivster Satiriker der Insel gemacht hat, stellt einmal mehr die Erwartungshaltungen produktiv auf den Kopf: In seinen so ab- wie hintergründigen Fernseharbeiten wandte er sich bewusst umstrittenen Angelegenheiten wie Drogensucht und Pädophilie zu, um dann vielmehr die mediale Sensationshysterie und Schwarz-Weiß-Malerei bei solchen Tabuthemen aufs Korn zu nehmen.

Auch Four Lions passt in dieses Muster: Schließlich klingt eine Komödie über muslimische Selbstmordattentäter erst einmal nur nach maximaler Provokation. Jedoch hat Morris seine Gruppe von Chaos-Terroristen nach jahrelangen Recherchen zum Thema entwickelt. Die hatte er aus rein persönlichem Interesse begonnen, eben weil ihm die Berichterstattung zu unergiebig und einseitig war. Dabei sprangen ihm immer wieder Inkompetenz und Absurdität ins Auge: der Keim dieser Komödie. Denn: „Menschliches Unvermögen macht keinen gnädigen Bogen um eine Terrorzelle.“

Ein besonders gelungener Streich ist dabei, dass Four Lions an der Oberfläche den bewährten Bahnen von grotesker Gruppendynamik folgt: Während in allgegenwärtigen Hollywood-Lustspielen Truppen von unfähigen Burschen heißen Mädels oder amerikanischen Erfolgsträumen hinterherjagen, wollen sich die Mannen von Morris allerdings für den Heiligen Krieg opfern.

Tierische Terroropfer: Krähe und Schaf

Der Widerspruch zwischen den sympathischen Figuren und ihrem wahnsinnigen Ziel verleiht der Satire von Morris Ambivalenz und Schärfe: Beiläufig, mit pseudodokumentarischer Handkamera, zeigt er, wie sich die Chaos-Terrorgruppe in surrealen Streitereien, abstrusen Aktionen und hirnrissiger Planung verzettelt. Ein schüchterner Bombenbastler will seinen Sprengstoff per fliegender Krähe ans Ziel bringen (ein ahnungsloses Schaf folgt diesem Pechvogel später in die ewigen Jagdgründe). Ein unbegabter Polit-Rapper lässt seinen großmäuligen Worten kleinmütige Taten folgen. Ein begriffsstutziger Mitläufer antwortet auf die Frage nach dem optimalen Anschlagsziel: „Das Internet.“ Anführer Omar (Riz Ahmed aus The Road to Guantánamo), die einsame Stimme der (Halb-)Vernunft, wirkt zusehends desillusioniert, wiewohl er Disneys König der Löwen als Märtyrer-Gutenachtgeschichte für seinen Sohn zurechtbiegt.

„Ich bin am meisten al-Qaida hier“

Kein Wunder, dass der fünfte Terrorist nur forsch verkündet: „I'm the most al-Qaida one here!“ Barry (famos: Nigel Lindsay) ist in seiner Unvereinbarkeit die komischste Kreation beim subversiven Spagat von Morris. Denn seine Figuren sind erstaunlich gut integriert in die westliche Kultur, ihre selbstmörderischen Pläne wirken manchmal wie eine Verzweiflungsreaktion angesichts der spirituellen Leere des Lebens in der Konsumgesellschaft, dann wieder wie ein tödliches Kinderspiel (erheiternd buchstäblich, wenn zur Geheimhaltung online mit bunten „Puffin“-Figuren auf einer Kinder-Webseite kommuniziert wird). Nur Barry ist überhaupt ein durch und durch britischer bloke,der gerade aus dem Pub gekommen sein könnte: Überreaktion ist ergo seine Spezialität. Er schlägt mit idiotischem Feuereifer vor, gleich eine Moschee zu sprengen, um die friedlichen Glaubensbrüder endlich für den ersehnten „totalen Krieg“ zu motivieren. Am Ende wird es ein Anschlag auf den Londoner Marathon, der Sprengstoff in quietschbunten Kuschelkostümen verborgen – was beim ebenso elendiglich versagende Sicherheitsapparat für fatale Verwechslungen sorgt.

Morris demontiert dabei Klischees so lustvoll wie (unheimlich) lustig und schreckt nicht davor zurück, die Konsequenzen zu ziehen, das sorgt für melancholische Untertöne: Nicht zufällig nennt Morris Gillo Pontecorvos vernachlässigten ETA-Anschlagsfilm Operación Ogro (1979) als Vorbild: „Es gibt darin zwar keinen einzigen Witz, aber sonst ist mein Film ganz ähnlich.“ Four Lions belegt allerdings, dass Unernst produktiv genutzt werden kann, um ernste Themen jenseits eingefahrener Bahnen zu behandeln.

Der Komiker und sein Filmdebüt

Chris Morris (geboren 1962 in Bristol) gilt als einer der originellsten Komiker Britanniens – und einer der kontroversesten. Er begann beim Radio der BBC, in den 1990ern kam der große Durchbruch mit TV-Satireshows: Das experimentelle Nachtprogramm „Jam“ und vor allem die Nachrichtenmagazin-Parodien „The Day Today“ und „Brass Eye“ lösten Begeisterung und Beschwerdeaktionen aus. Die „Times“ nannte Morris später „den meistgehassten Mann Großbritanniens“.

„Four Lions“, das Debüt von Morris als Kinoregisseur, wurde in England gefeiert. In Deutschland forderte ein CDU-Abgeordneter (ungesehen) ein Verbot. Am Mittwoch wurde „Four Lions“ als „Presse“-Premiere vorgestellt, ab Freitag ist er in den Kinos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.