"Brautalarm": Wie lustig dürfen Frauen sein?

Brautalarm lustig duerfen Frauen
Brautalarm lustig duerfen Frauen(c) AP (Suzanne Hanover)
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Nächste Woche läuft die (leicht) verschärfte Frauenkomödie "Brautalarm" an. In den USA galt sie als Testfall für die Hollywood-Zukunft von weiblichem Humor. Ein Hintergrundbericht.

Im Jänner 2007 gelang dem Autor Christopher Hitchens eine essayistische Provokation, von der sich der amerikanische Kulturbetrieb nicht erholt hat: „Why Women Aren't Funny“, lautete der trockene Titel seines Textes in „Vanity Fair“, der prompt Proteste nach sich zog. Während Hitchens seine Polemik eher auf kulturhistorische und evolutionstheoretische Argumente stützte, wurde mit Gegenbeispielen gekontert: Natürlich sind Frauen lustig – von Hollywoods Screwball-Königinnen wie Carole Lombard oder Katharine Hepburn über spätere Star-Komödiantinnen wie Lucille Ball, Doris Day und Whoopi Goldberg bis zur aktuellen Generation smarter, schlagfertiger TV-Komikerinnen à la Tina Fey („30 Rock“) und Amy Poehler („Parks and Recreation“).

Ein wenig argumentierte man also aneinander vorbei. Dass Hitchens' Essay weiterhin regelmäßig beschworen wird, sobald es in US-Kulturdebatten um weibliche Komik geht, ist ein Indiz dafür, dass er einen Nerv getroffen hat. Und zwar nicht unbedingt mit seiner (keineswegs ohne Ironie formulierten) Grundthese, sondern just in dem Bereich, der als Widerlegung angeführt wurde: der US-Laufbildindustrie.


Minibudgets für Frauenkomödien. Tina Fey & Co. mögen als Repräsentantinnen der Kombination „weiblich wie witzig“ (und, meist unerwähnt, aber eigentlich entscheidend: gutaussehend) auf Hochglanzseiten von Magazinen prangen, aber sie erfüllen Feigenblattfunktion. Schon die obige Kürzestliste von Komikerinnen belegt: Frauenkomödien haben heute ihren Platz im Fernsehen – im Kino gelten sie Hollywoods Entscheidungsträgern als suspekt. (Laut Industrie-Faustregel entscheiden Männer beim Kinobesuch, Frauen beim TV-Programm.) Hollywoods geringer Frauenanteil bei Regie, Produktion und Drehbuch (17 %) trägt zu entsprechendem Stoffmangel bei. Und die Studios suchen heute vor allem nach fortsetzbaren Franchises von Piraten der Karibik bis Twilight. Die (sinkende) Restproduktion ist klar auf die Hauptzielgruppe ausgerichtet: Jugendliche, und zwar männliche.

Für die gibt es billigere Genrefilme und sogenannte „raunchy comedies“: Bubenlustspiele mit viel Vulgärhumor. (Geht es um erwachsene Männer, verhalten die sich trotzdem adoleszent). Das weibliche Pendant aber gilt als Risikofaktor. Also sind selbst romantische Komödien vom Fließband um Stars wie Sandra Bullock relativ preiswert, für zotigere Versuche – wie eben Bad Teacher mit Cameron Diaz in der ungehörigen Titelrolle – gibt es nur ein Hungerbudget nach Traumfabrik-Maßstäben: unter 25 Millionen Dollar.


Starkes weibliches Ensemble. Eine Ausnahme – mit 33 Millionen Budget eigentlich gar keine so große – hat die Debatte wieder angefacht: Als im Mai die Komödie Brautalarm in den USA anlief, führte man sie (natürlich) erst gegen den leidigen Hitchens-Vorwurf ins Feld – und sie wurde zum Flaggschiff hochstilisiert. Ihr Erfolg an der Kasse werde entscheiden, wie die Zukunft der Frauenkomödie in Hollywood aussehe. Ironischerweise weniger wegen des starken weiblichen Ensembles, geführt von der schlaksigen Blondine Kristen Wiig, die mit der Kollegin Annie Mumolo auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, sondern wegen eines Mannes: (Ko-)Produzent Judd Apatow.

Apatow ist der König der Bubenkomödie und Kassengarant für Hits wie Knocked Up – Beim ersten Mal, in dem Wiig bei einem Gastauftritt den Stars die Schau stahl. Wie Tina Fey und Amy Poehler hatte sich Wiig beim TV-Dauerbrenner „Saturday Night Life“ etabliert. Und wo etwa Fey in Kinoausflügen Kompromisse eingehen musste, wurde Wiig von Apatow zu mehr räudigem Humor motiviert – wohl auch in der Hoffnung auf lukrative „Crossover-Effekte“ beim männlichen Publikum.

So ist Brautalarm einerseits eine Frauenkomödie mit interessanteren (weiblichen) Charakteren und Beziehungen als übliche Romantic Comedies: Die Männer sind nur Beiwerk, wie sonst die Frauen für Helden von Sexlustspielen. Dafür werden Hollywoods biedere Genre-Formeln genüsslich in den Schmutz gezogen. Wiig spielt eine Mittdreißigerin in diversen Krisen, deren beste Freundin (Maya Rudolph) heiratet. Als eine der Bridesmaids – so der Originaltitel – findet sich Wiig bald im Konkurrenzkampf: ein komischer Kleinkrieg, geschildert mit Gespür für soziale und emotionale Details. Dazu kommen Missgeschicke wie die Lebensmittelvergiftung, die ausgerechnet beim Kleiderkauf in der Nobelboutique für Durchfall sorgt. Solche Szenen wirken nicht einfach kalkuliert, sie passen zu den Figuren und Themen: Wenn die Braut nach dem Malheur im eingesunkenen weißen Kleid auf der Straße sitzt wie eine verblühte Blume, ist dies auch ein gutes Gegenbild zu Traumhochzeit-Illusionen samt Kaufzwang.

Dass Brautalarm meist wirkt wie eine gut geschriebene, großartig gespielte und effizient inszenierte Fernsehserie, liegt wohl an seinen Wurzeln (auch Apatow und Regisseur Paul Feig kommen vom TV), heißt aber nicht unbedingt Schlechtes: Heute haben amerikanische TV-Serien einen besseren Ruf als Kinofilme. Die Frauen in Brautalarm sind jedenfalls durchgehend lustig – und hatten in den USA Kassenerfolg. Vielleicht haben sie also wirklich eine Zukunft. Sogar in Hollywood.

„Brautalarm“ („Bridesmaids“) startet am 22. Juli in Österreichs Kinos. Die Komikerin Kristen Wiig ist Koautorin und Hauptdarstellerin des Films über komische Konfrontationen unter den Brautjungfern vor einer Hochzeit. In weiteren Hauptrollen: Maya Rudolph, Rose Byrne, Ellie Kemper, Wendi McLendon-Covey und die resolute Melissa McCarthy. Regie: Paul Feig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2011)

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