Steven Spielberg: "Wir sollten alle nostalgisch sein"

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Nach "Tim und Struppi" hat Steven Spielberg nun die Geschichte eines Pferdes verfilmt. Ein Gespräch über Kindheit, seine Unsicherheit vor jedem neuen Film und das größte Abenteuer seines Lebens.

Steven Spielberg vermag seine 64 Jahre nicht zu verleugnen: Eine Baseballmütze bedeckt sein graues Haar, die Augen stecken hinter einer Brille. Doch bei näherem Blick besitzt er etwas Kindhaftes. Die Ränder seiner Fingernägel sind schmutzig-dunkel, als hätte er gerade noch draußen im Garten herumgetollt. Aber es liegt vor allem an seiner Ausstrahlung. Diese jungenhafte Leidenschaft ist auch in „Gefährten“ zu spüren – einem Tierabenteuer über die Erlebnisse eines Pferdes im Ersten Weltkrieg.

In den letzten drei Jahren war nichts von Ihnen als Regisseur zu sehen. Was war los?

Steven Spielberg: Der Hauptgrund war, dass die Arbeit an „Tim und Struppi“ so lange dauerte. Das ganze Filmteam hat rund 670.000 Arbeitsstunden hineingesteckt. Während die digitalen Animationen fertiggestellt wurden, hatte ich ein paar Monate, in denen ich „Gefährten“ drehte.

Warum noch das Pferdeepos?

Multitasking fällt mir leicht. Und der Anstoß für „Gefährten“ kam von meiner Produzentin Kathleen Kennedy, die das Bühnenstück, auf dem der Film beruht, in London gesehen hatte. Ich konnte mich von der Power dieser Geschichte auch selbst überzeugen. Wobei ich schon lange die Ausdruckskraft von Pferden kannte. Wir haben eine Ranch; meine Frau und meine 14-jährige Tochter reiten – Letztere sogar in Wettbewerben. Aber Filme vermitteln normalerweise nie, wie Pferde sich fühlen, die Aufmerksamkeit gilt dem Reiter. Es war reizvoll, eine Geschichte zu erzählen, die vom Mut eines Pferdes handelt.

Haben Sie nie Bedenken, wenn Sie mit einem Film Neuland betreten?

Nein, ich hätte Angst, wenn ich immer das Gleiche machen und dieselben Werkzeuge einsetzen müsste. Es ist mir lieber, wenn ich etwas Neues versuche und scheitere, statt dass ich mit etwas Altbewährtem Erfolg habe. Aber ich gebe zu, am ersten Drehtag bin ich sehr nervös, denn ich habe lauter Zweifel.

So etwas sollte Ihnen als erfolgreichstem Regisseur aller Zeiten doch nicht passieren.

Das passiert mir wie jedem Filmemacher auf der ganzen Welt. Am ersten Drehtag bin ich wieder eine Jungfrau. Jede neue Geschichte ist wie dein erstes Mal. Egal, wie viel Erfahrung du hast, nichts kann dich vorbereiten. Ich tue natürlich mein Bestes, um meine Unsicherheit zu verstecken, aber sie kommt trotzdem durch. Meine Schauspieler sehen mich am ersten Drehtag, wie ich meine Anweisungen zu geben versuche. Und sie fragen sich definitiv: Hat er wirklich all diese Filme gedreht? Er scheint sich nicht im Klaren, wie er überhaupt den Tag anfangen will.

Ist Filmemachen das größte Abenteuer Ihres Lebens? Oder etwas anderes?

Du meine Güte, das sind natürlich meine Kinder. Filme reichen nicht im Entferntesten an Kindererziehung heran. Ich glaube, schon eines würde das Regieführen toppen. Ich habe sieben...

Man sagt Ihnen ja selbst kindhafte Züge nach.

Zu Recht. Ich trage in mir die Seele eines Kindes, die ich auch nie verlieren werde.

Sehnen Sie sich nach Ihrer Kindheit zurück?

Natürlich. Ich bin extrem nostalgisch veranlagt. Ich finde es aber auch schön. Wir alle sollten nostalgisch sein.

Dabei war jene Zeit für Sie eher schwierig.

In der Tat, das muss ich zugegeben. In der Schule grenzten mich meine Klassenkameraden aus. Die meiste Zeit war ich unglücklich und traurig. Aber ich fand einen Ausweg. Ich fing an, Filme mit meiner 8-Millimeter-Kamera zu drehen. Und wenn ich sie dann sah, dann spürte ich so eine Freude, dass ich einfach weitermachen musste.

Geht es Ihnen heute noch genau so?

Ja, aber ich kann überhaupt nicht beurteilen, was die Leute davon halten werden. Ich hatte nie hohe Erwartungen. Das fing schon beim „Weißen Hai“ an – wir überzogen die Drehzeit um 120 Tage. Das Budget wuchs aufs Fünffache an. Die Studios gingen mit mir hart ins Gericht. Wer wusste schon, dass das Publikum den Film so feiern würde? Ich hatte auch keine Ahnung, dass „Gefährten“ in den USA so erfolgreich laufen würde.

Gibt Ihnen das Vermächtnis Ihrer Filme nicht ein gewisses Selbstbewusstsein?

Ich wüsste nicht, wie mir mein Vermächtnis helfen soll. Das ist Vergangenheit. So nostalgisch ich auch veranlagt sein mag, es bringt mir nichts, einfach zurückzuschauen. Es gibt noch so viel, das in der Zukunft auf mich wartet.

1946 in Cincinnati geboren, ist Steven Spielberg einer der erfolgreichsten Regisseure der vergangenen Jahrzehnte. Zuletzt brachte er das Drama „Gefährten“ heraus.

1975 schaffte Spielberg mit „Der weiße Hai“ seinen großen Durchbruch. Es folgten zahlreiche Hits wie etwa „E.T. – Der Außerirdische (1982)“, „Jurassic Park“ (1993) und die „Indiana Jones“-Reihe (1981–2008).

1991 heiratete Spielberg die Schauspielerin Kate Capshaw. Das Paar hat drei leibliche und zwei adoptierte Kinder sowie eine Stieftochter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2012)

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