Johannes Krisch: Lieber böser Ritter als König

Johannes Krisch Lieber boeser
Johannes Krisch Lieber boeser(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Als Zuhälter ist Krisch demnächst im Hollywoodfilm "360" zu sehen. Im Interview mit der "Presse am Sonntag" spricht der Schauspieler über das Burgtheater und andere Leidenschaften.

Sie haben jüngst eine Hollywoodproduktion abgedreht: „360“ von Fernando Meirelles („City of God“) mit Rachel Weisz, Anthony Hopkins, Jude Law. Worum geht es?

Johannes Krisch: „360“ ist vom Prinzip her so aufgebaut wie Schnitzlers „Reigen“. Figuren reisen durch die Welt und treffen sich immer wieder. Es ist großartig, wenn man in so einem Projekt drinnen ist, in dem Anthony Hopkins und Jud Law spielen, aber wir hatten leider keine Szenen zusammen. Es ist ein sehr schöner Film, der jetzt rund um den Erdball bei Festivals läuft und im Frühjahr, Sommer ins Kino kommen soll. Ich spiele einen Wiener Zuhälter, der eine „Modelagentur“ hat und Mädchen an Menschen verkauft, die einsam in ihren Hotels sitzen, z. B. an Manager oder Leute, die bei Automessen arbeiten.

Außerdem haben Sie in dem deutschen Ritterepos fürs Fernsehen „Isenhart – Die Jagd nach dem Seelenfänger“ mit Jeanette Biedermann und Johannes Zeiler gespielt.

Das hat einen Riesenspaß gemacht, auf einem Pferd zu sitzen und als böser Ritter mit dem Schwert durch den Wald zu galoppieren. Die Bösen sind ja oft spannender als Könige. Ich bin ein leidenschaftlicher Reiter! Bevor die Kinder zur Welt gekommen sind, habe ich mit meiner Frau viele Reiturlaube gemacht, in Amerika, Marokko. Ein Wunschtraum von uns ist, einmal die Seidenstraße auf dem Pferd zu erleben.

Sie sind seit 1989 Ensemblemitglied am Burgtheater. Claus Peymann hat Sie engagiert. Welche Erinnerungen haben Sie an die erste Zeit? Eine Ihrer ersten Rollen war der Romeo in einer Inszenierung von Karlheinz Hackl mit Eva Herzig als Julia.

Das große Geheimnis dieser Produktion, die, glaube ich, vier Jahre lief und bei den Leuten sehr gut ankam, war, dass wir alle mit wahnsinnig viel Herzblut gespielt haben. Eva Herzig, Markus Hering, Michael Rotschopf und ich, wir waren neu. Ich denke gerne daran zurück, obwohl ich ein Mensch bin, der lieber nach vorn schaut.

Tendieren Ihre Söhne auch zum Theater?

Meine Söhne sind 16, acht und sechs Jahre alt. Sie gehen ins Theater der Jugend und spielen in Schulaufführungen. Ich wäre froh, wenn sie einen anderen Beruf lernen würden. Aber das müssen sie selber entscheiden. Wenn sie wirklich zum Theater wollen, kann man es nicht verhindern – und ich wünsche ihnen das Allerbeste. Dieser Beruf ist nicht leicht. Man muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. So viele Parameter müssen mitspielen, dass es funktioniert.

Hätte es für Sie eine Alternative zur Schauspielerei gegeben?

Ich bin ja gelernter Tischler, Geselle, da wäre wohl die Alternative gewesen, sich auf Restaurieren zu spezialisieren. Die Schauspielerei war immer schon in mir, aber sich mit 14 Jahren für einen Beruf zu entscheiden, ist nicht einfach.

Eine Ihrer nächsten Rollen am Burgtheater ist der Tischler Engstrand in Ibsens „Gespenster“, ab 9. März im Akademietheater zu sehen. David Bösch inszeniert. Wie lässt sich vermeiden, dass dieses Familiendrama aus dem Jahr 1881 museal wirkt?

Ich arbeite schon zum dritten Mal mit David Bösch, ich habe in „Adam Geist“ von Dea Loher und in Franz Xaver Kroetz' „Stallerhof“ gespielt. Böschs Fantasie erinnert mich streckenweise an Peymann oder Achim Freyer, er hat im positiven Sinne etwas Verspieltes. „Gespenster“ ist natürlich sehr dicht und es gibt Stellen, die heute nicht mehr so aktuell sind, wie die der „wilden Ehe“. Wir versuchen das zu entschärfen und uns auf anderes zu konzentrieren, wie z. B. auf die Korruption und die Lügen, die diese Menschen einander auftischen. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und kennt nur einen Bruchteil der Wahrheit des anderen.

Werden die Klassiker nicht allmählich von neuen Stücken verdrängt?

Diese Tendenz ist natürlich da, aber ich bin ein „konservativer“ Mensch. Ich freue mich, wenn immer wieder Klassiker im Burgtheater gezeigt werden. Dafür ist man an dieses Haus gekommen, um Klassiker zu spielen und zwar so, als wären Goethes oder Shakespeares Werke zeitgenössisch und gerade aus der Feder der Dichter geflossen. Ich mag das sehr gerne.

Im großen Ensemble des Burgtheaters stehen immer nur wenige in der ersten Reihe, viele bleiben unbemerkt.

Ich kann mich nicht beschweren. Wenn es allerdings sehr lange dauern würde von einer Hauptrolle bis zur nächsten, dann würde ich schon giftig werden. Aber es gibt in nächster Zeit wunderbare Aufgaben für mich: Raimund, Nestroy.

Sie spielen demnächst am Berliner Ensemble, das ist aber kein Fluchtversuch?

Keineswegs. Ich mache einen kleinen Abstecher nach Berlin. Ich bleibe aber auf jeden Fall dem Burgtheater treu, weil das meine künstlerische Heimat ist. Ich gehe als Legionär – wie man im Fußball sagt – ans BE, und ich freue mich, dass Peymann an mich gedacht hat. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich mich hier nicht wohlfühle. Im Gegenteil: Ich liebe das Burgtheater und seine Geschichte. Ich habe schon als Kind die großen, alten Schauspieler verehrt und einige manchmal beim Spazieren getroffen wie Richard Eybner, Josef Meinrad oder Paula Wessely.

Im „Kottan“-Kinofilm von Peter Patzak, „Rien ne va plus“, spielen Sie den Ermittler Paul Schremser, der auf Krücken geht. Er erhält einen Anruf von einer Frau in einer Telefonzelle, wirft die Krücken ab und zeigt in seiner Freude eine unglaublich akrobatische Nummer, die eine der besten Szenen des Films ist. War das eine Trickaufnahme?

Sie meinen, ob das ein Double ist? Keineswegs. Das ist alles live und es gibt auch keine Tricks. Patzak hat die Szene vorgegeben – sie stand so nicht im Buch – und ich habe mir etwas überlegt. Wir haben die Szene viermal gedreht, dann war sie im Kasten. Natürlich lebt das Ganze sehr vom Schnitt.

Gibt es eigentlich Verbindungen zwischen den Künsten Film und Theater, in Österreich Thomas Bernhard und Ulrich Seidl, um nur ein Beispiel zu nennen? Und was hat es mit dem heimischen Filmwunder auf sich?

Der österreichische Film war immer schon toll, nicht erst in letzter Zeit. Da gibt es diese großartigen Momentaufnahmen der Wiener Gesellschaft, den „Dritten Mann“ oder die Filme von Seidl und Götz Spielmann, aber man findet das auch im Theater, bei Thomas Bernhard. Oder nehmen Sie „Kottan“: Wenn Sie heute die erste Folge sehen, ist das ein Zeitdokument: In „Hartlgasse 16a“, aus dem Jahr 1976, ist die Sprache gespickt mit diesem alten Wiener Deutsch: Chuzpe, Trottoir. Mir tut es leid, dass diese Sprache zunehmend verloren geht. Ich möchte diese Ausdrücke nicht sterben lassen, sondern sie bewusst verwenden, auch auf die Gefahr hin, dass Menschen sie nicht verstehen. Man erklärt ihnen eben, was das heißt. Vielleicht wird dann nicht mehr nur dieser SMS-Jargon verwendet, sondern es wird auch mal wieder cool sein, Chuzpe zu sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2012)

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