Kino-Rührstück „Glück“: Unfug aus Liebe

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Vom Heile-Welt-Kitsch zum Mord mit dem Küchenmesser: Doris Dörries Kinoversion der Kurzgeschichte Ferdinand von Schirachs. „Glück“ will eine rührende Liebesgeschichte sein, scheitert aber an seiner Einfachheit.

Am Anfang ist alles heile Welt: Irgendwo in Osteuropa, Irina (Alba Rohrwacher) tollt über rote Mohnfelder, plantscht mit ihren Lieben im Teich und kuschelt mit Lämmern. In der Küche des kleinen Bauernhauses wird Honig abgefüllt, der Tisch gedeckt, durch die Fenster strahlt goldenes Sommerlicht. So kitschig und unglaubwürdig Farben und Schnitt der ersten Filmszenen sind, so vorhersehbar erfolgt der Bruch: Zuerst kommen die Panzer. Irinas Familie wird ermordet, sie selbst von einer Horde Soldaten vergewaltigt. Irina flieht nach Berlin und trifft am Straßenstrich den obdachlosen Punk Kalle (Vinzenz Kiefer). Behutsam kommen sie sich näher. Erst beim dritten Treffen verraten sie einander ihre Namen. Über allem liegen die Schatten ihrer Geschichte und Irinas Angst, als Illegale verhaftet zu werden.

Doris Dörries Film „Glück“ will eine rührende Liebesgeschichte sein, scheitert aber an seiner Einfachheit. Erst nach geschlagenen eineinhalb Stunden wird der eigentliche Fall der literarischen Vorlage, Ferdinand von Schirachs gleichnamiger Kurzgeschichte erzählt: ein übergewichtiger, schwitzender Freier bricht beim Geschlechtsverkehr tot zusammen, Irina ergreift panisch die Flucht. Als Kalle heimkommt, interpretiert er die Zeichen falsch und macht sich daran, die Leiche loszuwerden. Kein Detail wird einem erspart: Obwohl er kein Blut sehen kann, zerstückelt Kalle den Pfundskerl mit dem elektrischen Messer, verpackt ihn in Plastik und vergräbt ihn im Park – um Irina zu schützen.

Kalles Kompromisslosigkeit bringt die biedere Mittelstandswelt von Strafverteidiger Noah Leyden (Matthias Brandt) durcheinander: „Würdest du das für mich tun?“, fragt er seine Frau. Witzig sind die Gespräche zwischen ihm und der Anklägerin, beiden ist die Romantik der Tat nicht entgangen. Kalles Affekthandlung wird zum „Unfug aus Liebe“, der der Gesellschaft den Spiegel vorhält: Seht, wie wenig man eigentlich zum Glücklichsein braucht, wie weit manch Liebender gehen würde. Offen bleibt, was Irina und Kalle wohl heute so treiben. sig

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