"Hunger Games": Jugendfreies Teenager-Abschlachten

Hunger Games Jugendfreies TeenagerAbschlachten
Hunger Games Jugendfreies TeenagerAbschlachten(c) AP (Murray Close)
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Hype um "The Hunger Games: Die Tribute von Panem": Die Einspielergebnisse könnten "Harry Potter" übersteigen. An die Vorlage kommt die Bestseller-Verfilmung nicht heran.

Am Anfang erinnert die Bestsellerverfilmung "Die Tribute von Panem - The Hunger Games" an die Depressionszeit: Rurale Blockhütten, Männer in rußgeschwärzten Arbeitsmonturen, Kinder, Katzen, wuchernde Natur. Es könnte 1937 sein im wirtschaftskrisengebeutelten Amerika, oder auch 2012. Doch der Film spielt in einer fernen, postapokalyptischen Zukunft, davon informiert der Prolog, der in nüchterner Schrift über die Leinwand flimmert. Das Land Panem, so heißt es darin, besteht aus 12 Provinzen, ist eine Diktatur, in der jährlich grausige "Spiele" stattfinden: Jede Provinz entsendet ein Mädchen und einen Jungen zwischen zwölf und achtzehn Jahren zu den blutigen "Hunger Games", einer Machtdemonstration, aufgezogen als Fernsehspektakel. Nur einer oder eine überlebt.

Das klingt nach einem Kampf auf Leben und Tod, nach blutigem Abschlachten. Tatsächlich wurde der Film aber mit der Altersfreigabe PG-13 versehen - auch Kinder dürfen ihn sich in Begleitung von Erwachsenen anschauen. Ein Zugeständnis an das junge Zielpublikum. Für die britische Version wurden noch einmal sieben Sekunden herausgeschnitten und Blutspritzer entfernt, um die Ab-12-Altersfreigabe zu bekommen.

Überholt er auch "Harry Potter" oder nur "Twilight"?

Die Erwartungen der Filmindustrie an den ersten Teil der "Hunger Games", dem drei Filme folgen sollen, sind hoch und werden immer höher. Optimisten in Hollywood glauben, er könnte am Eröffnungswochenende sogar den Rekord von "Harry Potter and the Deathly Hallows - Part 2" übertreffen: Der finale Teil der Zauberlehrlings-Saga spielte in diesem Zeitraum allein in den USA 169 Millionen Dollar ein.

Nicht ganz so optimistische Schätzungen gehen von einem ersten Einspielergebnis zwischen 100 und 120 Millionen Dollar aus. Damit wären nicht nur die Produktionskosten (circa 100 Millionen Dollar) gedeckt, man würde auch "Twilight" überholen, der bei seinem Einstand mit "Biss zum Morgengrauen" 2008 übers Wochenende knapp 70 Millionen einbrachte. Um den Hype zu schüren, wird auch die Medienberichterstattung auf Kurs gebracht: Kritiker mussten sich zur Einhaltung einer Sperrfrist verpflichten, vor der Pressevorführung kamen Metalldetektoren zum Einsatz.

Harte Heldin, weicher Held

Hollywood will mit seinem neuen Franchise nur ja kein Wagnis eingehen und ein möglichst breites Publikum zufriedenstellen. Bei so viel Vorsicht droht jener Teil von Suzanne Collins' dreiteiligen Buchvorlage verloren zu gehen, der so viele Leser fesselte: Es ist eine Geschichte über Krieg und Hunger, Brutalität und Verlust. Entsprechend unsentimental, sogar kalt ist auch die zentrale Figur der Saga, die 16-jährige Katniss Everdeen (in der Verfilmung mit der passenden Härte von Jennifer Lawrence verkörpert). Sie ist nach dem Tod des Vaters Versorgerin ihrer Familie und nimmt in den "Hunger Games" freiwillig die Stelle ihrer jüngeren Schwester ein, der das Los eigentlich zuteil wurde.

Weicher ist ihr Gegenpart, der Bäckersohn Peeta Mellark (Josh Hutcherson), der mit ihr in die tödlichen Spiele einzieht, und mit dem sie ein existentielles Ereignis aus ihrer Vergangenheit verbindet. Um die Zuschauer zur Mithilfe zu bewegen, spielen sie ein Liebespaar. Das Liebesdreieck, ein tausendfach erprobter Plot, komplettiert von Katniss bestem Freund Gale Hawthorne (Liam Hemsworth).

Kulissenhaftes Panem

Größere Nähe zu der oft recht hantigen martialischen Heldin schafft in den Romanen ein erzählerischer Trick, man mag ihn billig nennen, aber er ist effektiv: Collins schildert die Geschichte im Präsens und aus der Ich-Perspektive Katniss'. Das Buch ist dicht und das merkt man vor allem den Dialogen an - im Film, der dritten Regiearbeit von Gary Ross ("Pleasantville"), kommt man direkt zur Sache, zu direkt. Die wichtige Message steckt oft schon im ersten Satz.

Während "Harry Potter" nicht einschlägig vorgebildete Zuseher mit Detailfülle überforderte, bleibt "Hunger Games" erstaunlich flach. Nur angedeutet sind die Vorgeschichten, das fremde, auf den Ruinen Nordamerikas gebaute Land verliert nie seinen kulissenhaften Charakter. Die vielen bunten Kostüme, dick aufgetragene Schminke und kunstvoll rasierten Bärte erinnern an Neunziger-Jahre-Zukunftsfantasien wie "Das fünfte Element".

Blutleere Morde

Unerwartete Stärke zeigt der 135 Minuten lange Film dort, wo er sich von der Vorlage entfernt - und das Element der Mediensatire betont. Ein kleines Kunststück, ist doch die sich nicht ernst nehmende Satire das Gegenteil von Drama. Geschickt lenkt "Spielleiter" Seneca Crane (Wes Bentley) Katniss in seiner Arena Richtung Mord und Toschlag.

Erst in der zweiten Hälfte findet "The Hunger Games" langsam zu sich selbst, an die Wucht der Vorlage kommt die brav-solide Umsetzung nicht heran. Zu "clean" bleibt der Hollywood-Streifen, es fehlt das Elend. Das ist wie Armut ohne Hunger. Oder ein aufgespießter Teenager ohne Blutspritzer. Beim jugendlichen Publikum wird "The Hunger Games" trotzdem einschlagen. In Krisenzeiten haben Träume schließlich Hochkonjunktur.

"The Hunger Games: Die Tribute von Panem": Ab 22. März 2012 im Kino. Im kommenden Jahr soll Teil zwei folgen.

In weiteren Rollen: Woody Harrelson als Mentor Haymitch Abernathy, Donald Sutherland als despotischer Präsident Snow, Rocksänger Lenny Kravitz als Stylist (!) Cinna, und Stanley Tucci (exzellent) als Talkshow-Moderator

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