Daniel Radcliffe: »Werde nicht immer gefragt sein«

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Der einstige Zauberlehrling ist in »Die Frau in Schwarz« in seiner ersten Post-Potter-Kinorolle zu sehen: Daniel Radcliffe über Geister und New Yorker Fans und seine Unsicherheit beim Schreiben von Gedichten.

Durch seine Rolle als Zauberlehrling wurde Daniel Radcliffe 2001 mit elf Jahren zum weltweiten Leinwandliebling. Sechs „Harry Potter“-Filme und elf Jahre später ist er in seinem ersten Post-Potter-Film zu sehen: Im Historienthriller „Die Frau in Schwarz“, der Verfilmung eines englischen Schauerromans, erforscht er als Anwalt die Hintergründe eines einsamen Anwesens im Marschland, in dem allerlei Unerklärliches vorgeht. „Die Presse am Sonntag“ traf den 21-Jährigen in München – zum Tee.

Sind Sie Teetrinker?

Daniel Radcliffe: Eigentlich Kaffeetrinker. Aber nach fünf Uhr kann ich weder Tee noch Kaffee trinken, sonst schlafe ich nicht ein. Und ich schlafe eh nicht viel. Seit ich mich erinnern kann, nie mehr als fünf Stunden.

Ihre arme Mutter.

Deswegen bin ich wohl ein Einzelkind geblieben. (lacht) Erst mit acht habe ich die Nacht durchgeschlafen. Davor wurde ich immer um vier Uhr morgens wach und war bereit loslegen. Heute bin ich nicht sehr viel anders, daher ist Kaffee bei mir keine so schlaue Idee – nicht einmal, wenn ich Jetlag habe, weil ich gerade aus New York komme.

New York ist Ihre neue Heimat?

Ich lebe dort nur seit letztem Jahr, seitdem ich dort Theater gespielt habe. London ist nach wie vor mein Zuhause. New York ist fantastisch. Wenn man schon ein Jahr lang in einer fremden Stadt leben muss, nicht gerade eine schlechte Wahl. Aber in London bin ich wirklich daheim.

Gibt es einen Unterschied, wie Sie in London und in New York behandelt werden?

In New York sind die Leute im Umgang mit Celebritys wesentlich entspann-ter. Wenn sie dich auf der Straße erkennen, kommen sie nicht gleich auf dich zugerannt. Sie gehen beiläufig an dir vorbei und sagen etwas wie: „Ich fand Sie in dem Theaterstück übrigens großartig!“ New York ist auch eine tolle Stadt, um Theater zu spielen.

Sie standen erst mit „Equus“ am Broadway auf der Bühne, dann mit dem Musical „How to Succeed in Business Without Really Trying“. Und brachen Rekorde. Wie wichtig ist Ihnen das Theater?

Sehr. Ich erinnere mich, dass ich mit zwölf, dreizehn bei der Beerdigung von Richard Harris war. Jemand sagte, dass Richard der letzte aus einer Generation von Schauspielern war, die ihre gesamte Karriere sowohl auf der Bühne als auch auf der Leinwand zu sehen waren. So würde ich es auch gern halten.

War das Jahr in New York für Sie auch eine Pause von Harry Potter?

Eine richtige Pause war es nicht – ich stand pro Woche achtmal auf der Bühne. Dadurch habe ich die Premiere des letzten Harry Potter kaum mitbekommen, ich habe mich voll auf das Theaterstück konzentriert. Aber das war gut so, sonst hätte ich wahrscheinlich zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt.

Das Team um Harry Potter wurde in den elf Jahren ja auch so etwas wie eine zweite Familie für Sie, die Sie nun verloren haben...

Wir sehen uns so oft wie möglich. Emma schicke ich SMS, um auf dem Laufenden zu bleiben. Rupert und ich schreiben uns nicht, aber selbst wenn wir uns erst in fünf Jahren wiedersehen, könnten wir locker unser letztes Gespräch wieder aufnehmen. Unsere Freundschaft übersteht längere Sendepausen.

Vermissen Sie sie?

Und wie. Aber nicht nur Rupert und Emma, auch die Crew. Zum Glück war beim Dreh zu „Die Frau in Schwarz“ auch ein Teil der Potter-Crew mit von der Partie – die Filmindustrie ist halt auch nur ein Dorf. Das war nett, dadurch fühlte sich mein erster Tag am Set nicht wie der erste Schultag an.

„Die Frau in Schwarz“ ist nichts für schwache Nerven. Wovor fürchten Sie sich denn?

Vor Dingen wie Versagen. Aber ich leide nicht unter Phobien oder habe irrationale Ängste. Ich habe nicht einmal etwas gegen Spinnen. Rupert springt tatsächlich bei der winzigsten Spinne immer auf einen Stuhl, genau wie das Hausmädchen bei „Tom und Jerry“.

Haben Sie es je mit übernatürlichen Phänomenen oder etwas, was Sie dafür hielten, zu tun bekommen?

Ich glaube nicht an Geister. Meine Mutter hat früher oft ein Ouiji-Brett befragt. Sie ist dem Spiritualismus durchaus zugetan. Das hört sich jetzt etwas abgedreht an, das wird sie mir übel nehmen! Aber mich lässt das Spirituelle unbeeindruckt. (lacht)

Woran glauben Sie?

Weder an Gott noch an Geister. Ich fände es toll, in einer Welt voller Geister, Dämonen und Engeln zu leben, wie in meinem Lieblingsbuch „Master and Margarita“. Aber bisher hat mir niemand so etwas präsentieren können.

Was steht für Sie als Nächstes an?

„Kill Your Darlings“. Das ist ein historischer Thriller, ich spiele darin den 19-jährigen Allen Ginsberg. Es ist eine Art „X-Men“ über Dichter: Es werden die ersten Künstlerjahre von William Burroughs, Jack Kerouac und Allen Ginsberg gezeigt, und wie sie sich kennengelernt haben. Aber der Mann, der hinter den dreien stand und weniger bekannt ist, ist Lucien Carr. Zugleich geht es aber noch um einen Mord, der auf einer wahren Geschichte beruht.

Schreiben Sie selbst noch Gedichte?

In letzter Zeit habe ich nicht mehr so viele geschrieben. Ab und zu nehme ich wieder Anlauf, aber mit meiner Selbstkritik stehe ich mir selbst im Weg.

Sie brauchen eine verständnisvolle Freundin.

Die habe ich sogar, zum Glück. Sie steht hinter mir und ermutigt mich. Immer, wenn ich mir sage: „Ich kann nicht mehr schreiben“, kommt sie sofort und sagt „Nein, komm schon, schreib drauflos.“ Sie ist wie die nette Seite meines Gehirns, die mich nicht herunterzieht. Das ist schön.

Ihr Berufsleben war von Anfang en detail geplant. Nehmen Sie sich jetzt auch die Freiheit, eine Auszeit zu nehmen?

Ja, und das ist ein ganz neues Gefühl. Das ist jetzt das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht weiß, was ich in sechs Monaten machen werde. Wenn ich jetzt ein Skript bekomme, das einen Monat später verfilmt wird, kann ich zugreifen. Früher musste ich fragen: „Könnten Sie den Dreh um ein Jahr verschieben?“

Klingt, als wäre von Auszeit keine Rede.

Ich bin kein Freund von Pausen. Seit ich zehn bin, habe ich fast jeden Tag gearbeitet. Neulich hat mir jemand eine Frage gestellt, die ich völlig absurd fand: „Warum arbeiten Sie noch, Sie sind doch reich!“ Ich wüsste gar nicht, was ich sonst tun sollte. Ich kenne es nicht anders und liebe es! Im Februar habe ich drei Wochen Urlaub gemacht. Das ist seit vier Jahren das erste Mal, dass ich länger als eine Woche frei hatte.

Was hält Ihre Freundin von Ihrem Arbeitseifer?

Sie kennt mich und weiß, wie ich ticke. Außerdem werde ich nicht immer so gefragt sein wie jetzt. Ich muss jetzt die Möglichkeiten nutzen und bei interessanten Filmen mitmachen. Ich schätze, ich werde die nächsten drei Jahre richtig viele Filme drehen, denn das ist die Zeit, in der die Leute weiterverfolgen werden, welche Richtung meine Karriere nimmt. Erst danach wird man mich als eigenständigen Schauspieler wahrnehmen. Es wird viele geben, die uns abtun werden als „Seriendarsteller, aus denen später nichts wurde“. Solche Geschichten werden doch gern geschrieben. Ich möchte sicherstellen, dass ich ihnen diese Möglichkeit nicht gebe.

Gibt es Dinge, die Sie jetzt nachholen wollen, den Führerschein zum Beispiel?

Ich kann nicht Auto fahren, stimmt. Das muss ich lernen, denn in irgendeinem Film werde ich mich sicher ans Steuer setzen müssen. Ich kann ja nicht bis ans Ende meines Lebens in Historienschinken mitspielen, in denen ich mich mit Pferdekutschen fortbewege.

Steckbrief

Daniel Radcliffe (21) wurde als Kind eines Literaturagenten und eine Castingagentin in London geboren. Schon mit fünf wollte er schauspielen.

Mit zehn gab er sein Debüt als Dickens' David Copperfield in einer BBC-Produktion. Mit elf wurde er als Harry Potter berühmt. Seit gestern gibt es eine eigene Harry-Potter-Studio-Tour in London.

Mit 17 gab er sein Theaterdebüt in Peter Shaffers „Equus“ in London, später spielte er die Rolle am Broadway. 2011/12 war er dort in „How to Succeed in Business Without Really Trying“ zu sehen.

Radcliffe zählt zu den bestverdienenden Jungschauspielern Hollywoods. Er ist Cricket- und Punkrock-Fan, schreibt Short Stories und Gedichte und wurde mit 16 als jüngster Nicht-Royal für die britische National Portrait Gallery porträtiert. Er ist mit der Produktionsassistentin Rosie Coker liiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2012)

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