Madonna-Film „W. E.“: Edel-Papp statt Pop

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Eine Gesellschaftsdame erschüttert die Monarchie: Daraus wollte Madonna ein Historiendrama machen – und sich als innovative Regisseurin beweisen. Daraus ist nichts geworden. Es wurde ein steriles Designer-Defilee.

Wenn man so will, dann spielt Madonna Louise Ciccone ohnehin schon die Rolle ihres Lebens: Madonna. Als immer noch Ton und Stil diktierender Pop-Mythos schleppt sie ihre Selbstverwirklichungswahnvorstellungen durch das 21. Jahrhundert: Bald kämpft sie für hungernde afrikanische Kinder, bald zieht sie als Disco-Cheerleaderin in die Superbowl-Arena ein und verstört mit grenzdebilen Mitsingliedern. Zwischendurch dreht sie, die alles erreicht hat und sich noch viel mehr zutraut, einen 36-Millionen-Dollar-Film, teilfinanziert von einem arabischen Milliardär.

Amtsverzicht von Edward VIII.

Dass Madonna vom Leben und Wirken der amerikanischen Gesellschaftsdame Wallis Simpson angetörnt wurde, erscheint wenig verwunderlich: Wenige andere Frauen des letzten Jahrhunderts haben ihre Selbstbestimmtheit so zielsicher ausgelebt, eingesetzt und inszeniert wie sie.

Berühmt und berüchtigt (ein Zuschreibungsdoppel, das Madonna gern auch auf sich selbst anwendet) wurde die unterdurchschnittlich attraktive, aber überdurchschnittlich intelligente und wortgewandte Frau spätestens im Spätherbst 1936: Als nämlich der britische König Edward VIII. nach nur zehn Monaten Regentschaft (und noch gar nicht gekrönt) für die zweifach geschiedene und daher ganz und gar nicht hoffähige Wallis hochoffiziell auf sein Amt verzichtete und damit nicht nur seine Familie, sondern ganz Großbritannien vor den Kopf stieß. (Ihm folgte sein Bruder Georg VI., den 2010 Colin Firth in „The King's Speech“ so rührend darstellte.)

Madonna gereicht dieses von diversen Schmalzautoren bereits zur trivialen Märchenerzählung umgedeutete historische Ereignis zur Grundlage für ihr jüngstes Eitelkeitsprojekt. In ihrem Film „W. E.“, dessen Titel eigentlich auf die Initialen von Wallis und Edward anspielt, laut Regisseurin aber als „We“, also „Wir“, ausgesprochen werden muss, dirigiert sie eine adäquat faszinierende Andrea Riseborough in die Arme des stoffeligen Prinzen Edward (James D'Arcy): Dazwischen passieren die verdammten Liebenden mehrere Dutzend Historienfilm-Klischees, eingefangen in ausschweifenden Panoramen, gewandet in die luxuriösesten Kleider, die man sich für Geld kaufen kann. Was einige Kommentatoren eine konsequent durchgehaltene filmische „écriture feminine“ genannt haben und was sich hinter dem Mantel historischer Genauigkeit versteckt, ist in Wahrheit ein betäubend steriles Defilee von Designerkleidern und Edelklunkern, mit denen der Märchenprinz seine Wallis Simpson überschüttet. Bliebe es bei diesem Nachbau von Madonnas ziemlich einfältigem, weil nur auf den „Look“ abgestimmtem Geschichtsbild, wäre nicht viel passiert.

„W. E.“ will aber nicht nur Ode an Wallis Simpson sein, sondern auch noch ihre Wirkkraft auf zeitgenössische Frauenidentitäten beweisen. Beispielhaft muss demnach Abbie Cornish im New York des Jahres 1998 durch ein Auktionshaus irren, besessen von den exponierten Artefakten der historischen Romanze: Wie angeleitet von der Verve von Wallis Simpson beginnt die unglücklich Verheiratete folglich eine Affäre mit einem gutaussehenden Sicherheitsdienstmann. Regieanweisungen oder -einfälle fehlen „W. E.“ ebenso wie eine Generalvision: stattdessen setzt es Hochglanzbilder im Akkord. Madonna selbst wollte mit diesem Film – nachdem ihr achtzigminütiges, weitaus gelungeneres Debüt „Filth and Wisdom“ von der Kritik zerpflückt worden ist – als genuin innovative Regisseurin reüssieren. Daraus ist nichts geworden.

Madonna auf Welttournee: Am 29. Juli in Wien

Ihrem Hauptberuf als Popidol geht Madonna derzeit auf einer Tournee zu ihrem neuen Album „MDNA“ nach. Tourstart war am 31. Mai in Tel Aviv, vorgestern trat sie in Barcelona auf (im Bild), am 29. Juli kommt sie ins Wiener Ernst-Happel-Stadion. Sie spielt u. a. „Like A Virgin“ als Walzer. Für eine kleine Erregung sorgte sie, als sie beim Istanbul-Konzert eine Brust entblößte. Und beim Video zu „Nobody Knows Me“ verwandelt sich ihr Bild in das der französischen Politikerin Marine Le Pen, das dann mit Hitlerbärtchen und Hakenkreuz „verfremdet“ wird. [ EPA/Albert Olive ]

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