Kritik Film: Al Gores Vorschlaghammer

Kluges Taktieren mit der Angst: der Film "Eine unbequeme Wahrheit".

Der Mann steht auf einer großen Bühne mit einer noch größeren Videowand im Hintergrund. Beginnt er zu sprechen, spürt man die jahrelange rhetorische Praxis förmlich, die seine messerscharfen Aussagen zu einem wissenshungrigen Publikum transportiert. Es scheint, als müsse hier niemand von den Auswirkungen der Klimaerwärmung überzeugt werden: Der erfolgreiche Apologet heißt Al Gore, war demokratischer Präsidentschaftskandidat bei den US-Wahlen 2000. Irgendwann während seines Vortrags "Eine unbequeme Wahrheit" sind Archivaufnahmen dieser Wahlen zu sehen, kontinuierlich weist Gore auf die verfehlte Umweltpolitik der Bush-Regierung hin. Damit platziert er die Ein-Mann-Show im Graubereich zwischen Aufklärung und politischer Agitation, zwischen Al Gore, der Privatperson, und Al Gore, dem Politiker, den viele Parteifunktionäre lieber als Hillary Clinton gegen die Republikaner ins Rennen um die Präsidentschaft 2008 schicken würden.

Mit dem Kinostart des Vortrags vermag der Demokrat vielleicht sogar Stimmen zu sammeln: Gore, der Redner, verbindet die bunten Diagramme und Statistiken, die sich auf der haushohen Videowand auf- und wieder abbauen, mit Erfahrungen, die jeder Zuhörer und Zuschauer teilen kann. Das Zahlen- und Faktenkonvolut wird durch geschickte Dramaturgie zum Spektakel. Die Fakten sind erschütternd, die Präsentation überzeugend, das Ergebnis hoffentlich nachhaltig: Gore zitiert Winston Churchill und meint, dass nun die "Phase der Konsequenzen" begonnen hätte: Hurrikan Katrina war nur der Anfang.

So wissenschaftlich fundiert der Inhalt auch sein mag: Ziel des Vortrags ist die Emotionalisierung des Publikums durch kluges Taktieren mit der Angst. Vermutlich ist solch ein Vorschlaghammer notwendig, um tatsächliche Veränderungen zu bewirken. "Eine unbequeme Wahrheit" ist einerseits unterhaltsamer Lehrfilm, andererseits aber auch ein skurriles Stück politisches Kino. Eines wird dabei klar: Politisches Kino, und sei es ein Vortrag zur Klimaerwärmung, muss vereinfachen, um zu funktionieren. Auch das ist eine unbequeme Wahrheit. mak

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