„Ted“: Kuscheliges Stofftier mit Schandmaul

(c) Dapd (Universal Pictures/Tippett Studi)
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Der gefeierte Animationsserienschöpfer Seth MacFarlane bringt das unanständige Gag-Dauerfeuer seiner TV-Arbeit auf die Leinwand: Der Akteur ist grenzenlos geil, ständig saufend und dauernd auf Drogen.

Ist Seth MacFarlane der neue Matt Groening? Seit der Welterfolg von Groenings „Simpsons“ in den 1990ern einen neuen Standard für US-Hauptabend-Zeichentrickfilme setzte, haben sich eine Reihe jüngerer Kreativer darin versucht, ihn zu übertrumpfen: keiner so nachhaltig wie Seth MacFarlane, dessen Hit-Serie „Family Guy“ seit 1999 das animierte Sitcom-Familienprinzip seines Konkurrenten mit wildem, politisch unkorrektem Humor à la „South Park“ kreuzt. Während die Simpsons als populäre Mainstream-Instanz irgendwann erstarrten, sprintete MacFarlane nach vorn: mit rasantem Gag-Tempo, perversen Popkulturwitzen und satirischen Seitenhieben gegen Links wie Rechts (MacFarlane unterstützt die Demokraten, engagiert sich für Schwulenrechte und Cannabis-Legalisierung, seine Shows entstehen jedoch – wie die Simpsons – für Rupert Murdochs Fox Television, dessen News-Abteilung für ihre einseitig ultrakonservative Berichterstattung berüchtigt ist). Selbst der Schlagabtausch mit Groening wurde zur Show in den jeweiligen TV-Shows, ausgetragen über gegenseitige Parodien, während MacFarlane in der letzten Dekade sein Comedy-Imperium durch zwei weitere Serien ausbaute: Der Titelheld von „American Dad!“ ist ein paranoider CIA-Agent, „The Cleveland Show“ wurde um eine Nebenfigur aus „Family Guy“ kreiert.

Mission: Invasion der großen Leinwand

Nachdem MacFarlane – ein ausgebildeter Sänger und Pianist – im Vorjahr mit dem Album „Music Is Better Than Words“ verblüffte, auf dem er Musicalklassiker im Sinatra-Stil neu interpretierte, hat er heuer eine entschieden populärere Mission im Auge: die Invasion der großen Leinwand. Mit der Komödie „Ted“ wechselt MacFarlane von der kurzen zur langen Form und von der Animation zum Realfilm (wenn auch mit entscheidendem Digitaltrickbeitrag): Zweiteres gelingt ihm besser als Ersteres, aber das tut der Heiterkeit keinen Abbruch.

In Mark Wahlberg hat der Film seinen nominellen Star, aber in Wahrheit ist es natürlich der Titelheld, quasi ein abartiger „Alf“: Ted ist ein kuscheliger großer Stoffteddybär mit dem Schandmaul von Seth MacFarlane. Der leiht in den unverzichtbaren Originalversionen seiner Serien zahlreichen Figuren die Stimme (und synchronisiert auch öfters für andere Animationen): In „Family Guy“ spricht er u. a. das Baby Stewie als einsamen Intellektuellen der Familie mit anfänglich muttermörderischen Tendenzen und vollendetem britischem Adelsakzent. Das gibt auch eine gute Idee davon, wie MacFarlanes Komik mit der Grenzüberschreitung flirtet, aber sie automatisch entschärft, weil in seinem Universum alles prinzipiell (auch: selbst-)ironisch ist. Das gilt ebenso für „Ted“, wie schon eine märchenhafte Einführung ganz im 1980er-Retrostil demonstriert: Patrick Stewarts Erzählerstimme beschwört ein Weihnachtswunder, so salbungsvoll, dass man zweimal hinhören muss, als sich in seiner Friede-Freude-Eierkuchen-Gutenachtgeschichte eine obszöne Entgleisung nach der anderen einschleicht.

Das Wunder: Ein von allen verspotteter Bub bekommt den Plüschbär Ted geschenkt und wünscht sich, dass der sprechen kann. Ab da hat er einen besten Freund – und ein Alter Ego, das ihr gemeinsames ewiges Bubsein noch hemmungsloser auslebt. Wenn am Ende des Vorspanns der Bub zum erfolglosen Autoverleiher John (Wahlberg) herangereift ist, verbringt er noch immer am liebsten die Zeit bekifft vorm Fernseher (Lieblingsfilm: „Flash Gordon“) mit Ted.

Muster: Streit und Aussöhnung im Exzess

Der digital animierte Plüschbär ist die ironische Verkörperung von Joshs triebhaften Tendenzen: grenzenlos geil, ständig saufend, dauernd auf Drogen – und eine Art im Teddykörper gefangener Stand-up-Comedian. Kein Wunder, dass Joshs Freundin (Mila Kunis, die auch in „Family Guy“ eine Figur synchronisiert) eine Trennung will – Ted muss ausziehen. Das führt zu einem Handlungsgerüst, das in Hollywoods bewährten Buben-Comedy-Bahnen verläuft: Streit und Aussöhnung im überdrehten Exzess, unvermeidliche Läuterung zur Gründung der Kernfamilie dank duldsamer Frau. Der zusätzliche Bärwert bleibt zweifelhaft, auch wenn MacFarlane am Ende sogar eine Entführungsgeschichte einbaut (mit Giovanni Ribisi als amüsantem Achtziger-Fetisch-Psychopathen), um ein großes emotionales Finale anzusteuern.

Das funktioniert halbwegs, aber eigentlich tritt die Handlung hinter das Prinzip seiner Serien: ein durchaus monotones Dauerfeuer an wilden und genüsslich unanständigen Gags, von denen aber genügend zünden, darunter ein schwelgerischer Slapstick-Streit zwischen Mann und Bär. Und immerhin wird MacFarlanes atemlose Popkultur-Parade „Ted“ irgendwie zum letzten Schrei im gegenwärtig auf den Leinwänden grassierenden Achtziger-Retrochic, bei dem die damals aufgewachsene Generation den Konsumglückserinnerungen der Jugend huldigt: Hier wird nicht „Saturday Night Fever“ parodiert, sondern gleich dessen Parodie in „Airplane!“ von 1980, einem genialen Vorläufer der heutigen Popkultur-Fleckerlteppichkomik. Als nächstes soll MacFarlane übrigens im TV eine Neuauflage der „Familie Feuerstein“ in Angriff nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2012)

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