"Einst süße Heimat": Melancholie und Alltag – und Faschismus

(c) Hauzenberger
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Eine verschwindende Welt: das außerordentliche Rumänendeutschen-Porträt „Einst süße Heimat“.

Idyllisch muten die malerischen Bilder des Karpatendorfs an: Mensch und Tier auf nebelverhangener Straße, aus dem Baumwipfel erhebt sich ein Vogelschwarm nach einem Knall. Wie ein Knalleffekt werden auch die Sager eines Protagonisten das Idyll durchbrechen: „Wenn Gott gesund gewesen wäre und nicht geisteskrank, dann hätte er nur eine Rasse geschaffen“, sagt der Alte: Storch oder Hausmaus paarten sich schließlich auch nicht mit anderem. Später beschreibt er den Anblick eines KZs: „Wie ein Kloster“, wäre es ohne Stacheldraht.

Zwei alte Rumänendeutsche in Transsylvanien rückt Regisseur Gerald Igor Hauzenberger ins Zentrum seiner bemerkenswerten Dokumentation Einst süße Heimat: Johann Schuff, Siebenbürger Sachse und bekennender Misanthrop: Seine einzige glückliche Erinnerung scheint zu sein, wie er als 17-Jähriger – „Deutscher als die Deutschen!“ – mit der Waffen-SS in den Krieg zog.

Die andere Hauptfigur ist Maria Huber, eine Landlerin, wie die im 18. Jahrhundert aus Salzkammergut, Kärnten und Steiermark deportierten Protestanten heißen. Huber, nach dem Krieg von Sowjets ins Arbeitslager verschleppt, ist entschieden ruhiger in ihrer Weltabgewandtheit: Neben ihrem Grabstein, dessen vorgraviertes Todesjahrhundert (1919–19..) sie nun überlebt hat, wünscht sie sich, „dass niemand weiß, dass ich auf der Welt war“. Ihre Resignation entspricht dem Filmtitel: Die Heimat sei nicht mehr süß, kommentiert sie die Inschrift einer Stickerei, sondern sauer.

Solche Ausdrucksweisen der Traditionsverbundenheit – Wandstickereien, wunderbare sächsisch-landlerische Volkswaisen („Waldeslust/Oh wie einsam schlägt die Brust“) oder Gedichte – flicht Hauzenberger in den melancholischen Alltagsfluss seines sehr persönlichen Films ein, in ihnen spiegelt sich die Tragödie der Porträtierten: als Mitglieder von Minderheiten, die sich über die Zugehörigkeit zu einer eigentlichen fehlenden Gemeinschaft definieren.

Gedichte und Leugnen der Gaskammern

Diese Absurdität eskaliert in den Ausfällen des bekennenden Faschisten Schluff, den Hauzenberger lange mit einer Unvoreingenommenheit, wie sie aus langer Bekanntschaft entsteht, räsonieren lässt. Bis der Alte die Gaskammern leugnet (mit wirtschaftlicher Argumentation: Gift wäre doch billiger gewesen). Dass seine Widerrede vergeblich bleiben wird, ist nicht nur dem Regisseur klar – selbst das gehört zur dunklen Tragikomik seines Films. Es ist das Porträt einer nicht gern zur Kenntnis genommenen, nun endgültig verschwindenden Welt.

Ab Freitag im Wiener Votivkino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2008)

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