„Ein Augenblick Liebe“: Beinahe eine Liebesgeschichte

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Fantastereien, unterlegt mit Kuschelrock-Klassikern: „Ein Augenblick Liebe“ lebt von den fantastischen Schauspielern Sophie Marceau und François Cluzet.

Niemand wird Lisa Azuelos nachsagen, dass sie eine gute Regisseurin ist. Dafür sind ihre Filme, darunter die Hit-Komödie „LOL“, zu schmähstad, zu vorhersehbar, zu seicht. Was die 48-Jährige allerdings kann, ist mit Schauspielern zu arbeiten. Das beweist sie gleich zu Beginn von „Ein Augenblick Liebe“. Auf der Buchmesse in Rennes werden die erfolgreiche Schriftstellerin Elsa (fantastisch: Sophie Marceau) und der Strafrechtsanwalt Pierre (François Cluzet) einander vorgestellt, unter Hinweis darauf, dass beide leidenschaftliche Kiffer seien. Es passiert, was Millionen Konsumenten von medizinischem und nicht medizinischem Marihuana als Super-GAU kennen: Die beiden haben kein Filterpapier und schaffen es auch nicht, auf der Spießerparty eins aufzutreiben. Irgendwann fällt ihm dann der Tabak mitsamt dem Gras aus der Hand. Und während sie den Boden danach absuchen, funkt es dann. Und das ordentlich.

Azuelos macht sich einen Spaß daraus, mit den Erwartungen des Publikums zu spielen. Sie weiß, dass sie mit dieser Geschichte das Rad nicht neu erfinden wird. Pierre ist in einer glücklichen Beziehung mit Anne (gespielt von der Regisseurin selbst), der Mutter seiner beiden Kinder. Und Elsa will keinesfalls eine Affäre mit einem verheirateten Mann beginnen. Demnach tauschen sie auch keine Telefonnummern aus. Treffen werden sie sich trotzdem wieder. So will es das Kino. Immer wieder inszeniert Azuelos alternative Pfade dieser Geschichte. Was wäre, wenn sie gleich bei diesem ersten Treffen übereinander hergefallen wären, wenn sie sich auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes nicht wiedergesehen, ja, wenn sie sich überhaupt nie getroffen hätten?

Lichter der Großstadt

Nichts als Fantastereien, unterlegt mit Kuschelrock-Klassikern: Robbie Williams schnurrt seinen Hit „Feel“, die Bilder von Kameramann Alain Duplantier lassen die Millionen Lichter der Pariser Großstadt Schlieren ziehen, bis die Wirklichkeit gänzlich vergessen ist. Allerdings nur für einen Augenblick. Wie sie tatsächlich leben, diese Elsa und dieser Pierre, davon handelt ein Großteil von „Ein Augenblick Liebe“: Schön ist, wie Azuelos die Blickachsen der beiden auch dann gegenschneidet, wenn sie gar nicht im selben Raum, nicht einmal im selben Arrondissement sind. Aus zwei getrennten Leben wird eines, jedenfalls für eine kurze Zeit. Und bemerkenswert ist, wie Azuelos die von ihr geschriebene Geschichte thematisch durchgearbeitet hat: Raucherin Elsa saugt irgendwann an einer Dampfzigarette, während Nichtraucher Pierre seinen ersten Lungenzug macht. Dann liegt er neben seiner Tochter auf dem Bett und sie sagt zu ihm, wie tragisch die Geschichte von Romeo und Julia doch sei, wo zwei, die sich lieben, nicht zusammenkommen dürfen.

Und wieso funktioniert dieser Film dann nicht? Wohl weil die konventionelle Mechanik dieser Fast-Liebesgeschichte hinter all den netten Momenten und schönen Bildern spürbar rattert und knattert. Dass „Ein Augenblick Liebe“ überhaupt ein Gefühl hinterlässt, das liegt an Sophie Marceau und François Cluzet. Sie kommen einem nahe und bleiben dort. Ihre Blicke und Gesten führen diesen Film aus der Beliebigkeit von Liebeskomödien heraus. Wenn er zu ihr sagt, dass er ihr Lächeln mag, weil darin eine Tragik mitschwingt, weiß man: Mit den beiden will man gern einen guten Film sehen. Einen, den nicht Lisa Azuelos inszeniert hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2014)

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