„Das große Museum“: Glanz und Motten im Kunsthistorischen

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Ein Film zwischen altem Glanz und neuen, sparsamen Zeiten, zwischen Staatsbesuch und Schädlingsbekämpfung: Johannes Holzhausen hat einen liebevollen und ehrlichen Dokumentarfilm darüber gedreht.

Eines der Probleme sind die Insekten. Motten etwa: Sie fressen Textilien, auch die alten, wertvollen. Oder Käfer: Sie bohren sich durch die Rahmen und können Bilder zerstören. Eine der vielen wunderbaren kleinen Sequenzen, mit denen uns Johannes Holzhausen und sein Team den Alltag im Museum näherbringt, zeigt Mitarbeiter des Kunsthistorischen beim Wechseln der Mottenfallen. „Nord 9, sechs Stück“, notiert der junge Mann und steigt wieder herunter von seiner Leiter. Währenddessen beugen sich drei Restauratorinnen mit Pinseln und Pinzetten über ein Gemälde, sie finden Gänge unter der Leinwand. Käfer? „Da, ein Gespinst!“, ruft die eine, und man hört den Schreck in ihrer Stimme.

Zum Glück, es ist nur Dreck.

Nein, es geht nicht nur um Glanz und Gloria, wenn Holzhausen und sein Team durch Büros, Kabinette und Säle des Kunsthistorischen streifen. Und was glänzt, ist nicht immer Gold. Mancher Prunk ist weniger wert, als es scheint: Das Gemälde von Maria Theresia ist restauriert worden, es soll an seinen angestammten Platz in der Präsidentschaftskanzlei zurück, und die Mitarbeiter des KHM wundern sich: Warum der Präsident sich kein qualitätvolleres Bild an die Wand hängt? Warum ausgerechnet diesen (nein, ganz so brutal sagen sie es nicht) Schinken? Und warum immer die Habsburger?

Aber was soll's, fällt ein anderer ein: Ist doch gut so! Dann muss das Museum kein besseres Bild hergeben.

Arbeitsplatz und Ort der Kunst

Holzhausen, der drei Jahre im Kunsthistorischen gedreht hat, zeigt uns das Museum als Arbeitsplatz. Als Ort der Kunst. Und als Budgetposten. Und er zeigt auch, wie das eine zum anderen nicht immer passen will; wie die Kuratorin der Gemäldegalerie betroppetzt feststellt, dass sie weniger Geld zur Verfügung hat als angenommen, und wie die Direktorin der Wagenburg im Dorotheum passen und die Uniform einem privaten Bieter überlassen muss – dabei hätte das Objekt die Sammlung so schön ergänzt! Aber 6000 Euro? Das ist zu viel, die „Verteilungskämpfe werden härter“. Zu allen möglichen Tricks greift darum die Geschäftsführung, um neue Besucher anzulocken. Der Kurator bemerkt bei der Präsentation des neuen Logos – „stilvoll, zeitlos“, nennt es der Kreativdirektor –, dass aus seiner Kunstkammer unversehens eine „Kaiserliche“ Kunstkammer geworden ist. Das verkaufe sich besser.

Ja, die alten Zeiten und die neuen Methoden, hier kann man studieren, wie sie aufeinander treffen, und das ist besonders amüsant, weil im Kunsthistorischen ja doch die neuen Methoden noch mehr als sonst auf die alten Zeiten angewiesen sind. Der kurz vor der Pensionierung stehende Direktor der Rüstkammer zitiert jedenfalls kopfschüttelnd aus einer Broschüre, die den Mitarbeitern ein Bewusstsein für die „Marke“ KHM vermitteln soll: Kompetent sollen die Mitarbeiter sein, kultiviert und mutig. Damit könne man auch eine Zahnpasta verkaufen, meint er trocken. Dann legt er die Reste seines Mittagessens aufs Fensterbrett. Für die Krähen.

Es ist eine jener Sequenzen aus dem Film, die besonders berühren. Denn abseits aller Beobachtungen, wie so ein großes Museum denn funktioniert zwischen Staatsbesuch und Mottenfallen, Budgetsitzung und Ausstellungseröffnung, interessiert sich der Film für die Menschen, die hier mit Herz bei der Sache sind: Wir sehen einen Mitarbeiter, der flucht, weil der Mechanismus des Tischautomaten – ein Musik machendes, mit Kanonenkügelchen schießendes Miniaturschiff in der Größe einer Suppenschüssel – sich nicht reparieren lassen will. Ihm stehen die Schweißperlen auf der Stirn. Und eine junge Restauratorin hat einen aufregenden Fund gemacht: Bei dem Gemälde handelt es sich vermutlich um eine Rubens-Skizze, die von anderer Hand ergänzt wurde!

Hat sie recht?

Das wissen wir nicht. Johannes Holzhausen hat das Team rund um Generaldirektorin Sabine Haag zwar begleitet, aber er kommentiert nicht, niemals, er fragt auch nicht nach. Und darum werden wir auch nie erfahren, ob die Restauratorinnen doch noch Käfer gefunden haben oder nicht.

Endlose Zimmerfluchten

Doch die Vorteile dieser Methode überwiegen bei Weitem. Holzhausen und sein Team (Kamera: Joerg Burger, Attila Boa, Schnitt und Dramaturgie: Dieter Pichler) können sich auf die Bilder konzentrieren, sie selbst Geschichten erzählen lassen: Da saust ein KHM-Mitarbeiter durch die Gänge, an Bücherregalen vorbei, an Schreibtischen und Topfpflanzen und einem Globus, eins, zwei, drei vier fünf sechs Zimmerfluchten hindurch – um was zu tun? Um einen Ausdruck aus dem Kopierer zu holen.

Man kann das als Metapher für die österreichische Bürokratie verstehen, wie das im Vorfeld geschehen ist. Oder einfach sagen: Respekt. Eine kreative Lösung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2014)

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