Im Kino: "Nie wieder Sex mit der Ex"

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Judd Apatow zeigt wieder sein Herz für Underdogs. Auch faule, dicke Männer können Helden sein! Ab Freitag.

Durchschnittsmänner mit kindlichem Wesen, Schwimmreifen und Körperbehaarung sind gemeinhin zu menschlich für die romantischen Komödien Hollywoods: Während sich die Traumfrau ihren Prinzen angelt, sind sie – als Nachbarn, Arbeitskollegen oder „gute Freunde“ – nur Zaungäste bei den großen Liebesgeschichten.

Bis sie selbst eine drehen: Die Produktionsfirma des Regisseurs und Autors Judd Apatow – der seine Erfolgsfilme Jungfrau (40), männlich, sucht und Beim ersten Mal aus persönlichen Außenseiter-Erfahrungen zusammen gebaut hat – ist seit Jahren das Zentralgestirn einer immer breiter werdenden Gesinnungsgemeinschaft aus US-Kreativen, die jenen Typen, die sonst gerne in grotesk-komischen Nebenrollen verbraten werden, ernst gemeinte Leinwand-Romanzen auf den unförmigen Leib schreibt.

Frauenfiguren wie Feuchtträume

In deren Umlaufbahn befindet sich auch Nicholas Stoller, der mit Forgetting Sarah Marshall – oder im unsäglichen deutschen Titel Nie wieder Sex mit der Ex – sein Spielfilmdebüt abliefert. Man merkt, dass ihm der Stoff am Herzen liegt: schon beim ersten Blick auf seine Hauptfigur, die Couch-Kartoffel Peter Bretter (fabulös verkörpert von Drehbuchautor Jason Segel), breitet sich dessen Vergangenheit – die im Film weder zu sehen ist noch thematisiert wird – vor dem Zuschauerauge aus: das dickliche Kind, das traurig schaut, wenn ihm die Mitschüler wieder einmal einen Streich gespielt haben; der mollige Jugendliche mit pickeligem Gesicht, der sich in das blonde Mädchen aus seiner Lieblings-Fernsehserie verliebt; der leicht übergewichtige Sonderling, der sich beim Abschlussball mit einem Jugendgetränk in die hinterletzte Ecke des Festsaals verkriecht, in der Hoffnung dort nicht bemerkt zu werden.

Es gehört zu den sympathischsten Merkmalen der Komödien aus dem Apatow-Stadl, dass so ein Typ eine Beziehung mit der bildhübschen Sarah Marshall (die aus den Serien „Heroes“ und „Veronica Mars“ bekannte Kristen Bell) führen kann. Es gehört zu den unsympathischsten Merkmalen dieser Filme, dass diese Frauenfiguren nicht viel mehr sind als Feuchtträume. Anstatt das verhärtete Genre der romantischen Komödie vom Untergrund auf zu renovieren, begnügt sich Nie wieder Sex mit der Ex mit einer schlichten Inversion der Oberfläche: Die männliche Perspektive ersetzt die weibliche, statt Frauengesprächen gibt's Männerrunden.

Aber der Reihe nach: Am Anfang steht Peters unfreiwillige Trennung von der Schauspielerin Sarah, die ihn für den narzisstischen Popsänger Aldous Snow (der britische Provokateur Russell Brand in seiner ersten Filmrolle) sitzen lässt. Um sich seine Wunden zu lecken, und da ihn in der Wohnung alles an seine Beziehung erinnert, reist er in eine Ferienanlage auf Hawaii. Aber eben dort turtelt auch Sarah mit ihrem exaltierten Neu-Freund: Peter muss sich wohl oder übel mit der erniedrigenden Situation arrangieren.

Spießiger Bruder, zynischer Kellner

Regisseur Stoller setzt seinen schwer angeschlagenen Helden in eine Achterbahn der Gefühle, die alle Stadien des Abtrennungsprozesses in komödiantischen Miniaturen abfährt: Zuerst verweigert er die Realität (und bettelt um Sarahs Gnade), dann flüchtet er vor ihr (auf die Insel), dann wird Sarah zu seinem Hassobjekt (und Aldous verprügelt), dann versucht er sie zurückzuerobern. Der Weg zu Peters seelischer Gesundung ist lang und schmerzvoll; unterstützt wird er dabei von einer Assemblage männlicher Durchschnittstypen – in diesem Fall: ein spießiger Bruder, ein zynischer Kellner, ein trotteliger Jungvermählter – und der reizenden Rezeptionistin Rachel (Mila Kunis), die sich schon bei ihrem ersten Auftritt als wahrscheinliche neue Partnerin empfiehlt.

Stollers Nie wieder Sex mit der Ex wirkt über weite Strecken wie Lebenshilfe für den Mann von Nebenan: in seinem tätschelnden „Es wird alles wieder gut, wenn du das Leben mit Humor nimmst“-Duktus folgt er früheren Apatow-Produktionen, die vierzigjährige Jungfrauen beim ersten Sex, überzeugte Junggesellen beim Schritt vor den Traualtar und männliche Jugendliche beim Aufgabeln potenzieller Sexpartnerinnen gezeigt haben; er erreicht aber deren Charme nicht. Darin mag das grundsätzliche Problem dieser romantischen Komödie liegen: Die männlichen Figuren werden mit einer Ernsthaftigkeit und (relativen) Tiefe gezeichnet, die im Unterhaltungsfilm unüblich ist, aber die Genre-Konvention wird lediglich umgedreht. Vielleicht ist mit Nie wieder Sex mit der Ex genau der Punkt erreicht, an dem Apatows Filme selbst zur Konvention werden. Mittlerweile haben nämlich alle begriffen, dass auch faule, weinerliche, kindische, übergewichtige Männer das Zeug zum romantischen Helden haben. Was fehlt, ist die Durchschnittsfrau: aber auf die muss man wohl noch lange warten.

COMEDY-ERFOLGSSCHMIEDE

Judd Apatow wurde als Regisseur-Autor mit den Hits „Jungfrau (40), männlich, sucht“ und „Beim ersten Mal“ Hollywoods Comedy-Liebling. Apatow betreibt als Produzent und Schreiber eine Erfolgsschmiede ums Team seiner TV-Sitcom „Freaks and Geeks“: Nach „Nie wieder Sex mit der Ex“ kommt bald „Leg dich nicht mit Zohan an“ um Adam Sandler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2008)

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