Neu im Kino: Kein Aufstand der Guerilla Girls

(c) concorde
  • Drucken

Schwere Zeiten für Komödien über wilde Mädchen: Im britischen Remake „Die Girls von St. Trinian“ und der US-Satire „Itty Bitty Titty Comittee“ siegen die Stereotypen.

Es ist ein Klischee, dass Männer lustiger sind als Frauen. Aber es ist eine Tatsache, dass ein Großteil aller Komödien aus männlicher Sicht erzählt wird. Es ist wiederum Kurzsichtigkeit, wenn Kritiker den massentauglichen Spaßfilm fest in Bubenhand glauben und zwischendurch die Oscar-nominierte Indie-Produktion Juno zum feministischen Lachfest stilisieren, bloß weil darin a) eine Frau die Hauptrolle spielt und b) Abtreibung und weibliche Sexualität thematisiert werden.

Die Girls von St. Trinian sind da jedenfalls wenig problembewusst, dafür attraktiv und dürfen in der britischen Slapstick-Komödie von Barnaby Thompson und Oliver Parker nach Herzenslust und ohne Rücksicht auf Verluste blödeln. Aufhänger für das Gaudigewitter ist die drohende Schließung der unorthodoxen Mädchenschule, die dem Film im Original den schlichten Titel gibt: St.Trinian's.

Deren Direktorin Fritton (umwerfend großbusig: Rupert Everett) lehrt vor allem Anarchie und Selbsterfüllung, ist so dem staubigen Establishment lästig. Bemerkenswert, dass die Vorlage zum Film aus den 1950ern stammt: Zur damaligen Erfolgskomödie gab es vier Fortsetzungen (bis ins Jahr 1980). Die aktuelle Version ist zwar zeitgemäß aufgemascherlt mit knackigen Popsongs und schnellen Schnitten, die anarchischen Mäderl taugen aber kaum als Vorkämpferinnen einer neuen Weiblichkeit im Komödien-Kino.

Gleiches gilt für die Radauschwestern aus Jamie Babbits wortwitzig betiteltem Itty Bitty Titty Committee, in dem die US-Regisseurin den radikalen Feminismus der 1990er einer durchaus heiteren Bestandsaufnahme unterzieht. Mauerblümchen Anna (schön: Melonie Diaz) lebt in einer Welt rosafarbener Wände, heiratender Schwestern und hübscher Kleidern, arbeitet zudem ganztags als Sekretärin in einer Brustvergrößerungsklinik. Bis sie zufällig in die Revolution stolpert, genauer: mitten in die aktivistische Gruppierung „Clits in Action“ (CIA).

Beschmierte Dessous

Deren Mitglieder beschmieren Bekleidungsgeschäfte oder Dessous-Werbetafeln mit kritischen Slogans, schmuggeln aufklärerisches Textmaterial zwischen Hochglanzmagazinseiten, kapern sogar einen Fernsehsender. Es geht also um (Ab-)Bilder von Frauen, und wer die Macht über deren Produktion hat. Babbit lehnte ihre Frauenpartie an die „Guerilla Girls“ an, die seit vielen Jahren New Yorks gelackte Oberflächen von weiblichen Schönheitsidealen befreien.

Itty Bitty Titty Committee trägt deren Haltung zwar vor sich her, weiß sonst aber wenig mit ihrer Radikalität anzufangen: Alle Figuren sind nach Klischeebildern modelliert, auch um dem Massengusto zuzuspielen. Vom Tomboy mit Oberlippenflaum über die tätowierte Künstlerin hin zum süßen Mädchen von nebenan ist alles dabei, das Repräsentations-Territorium wird breitflächig abgegrast.

Erschwerend kommt dazu, dass Babbit zwar mit Super-8-Aufnahmen an die Do-It-Yourself-Ästhetik jenes Punk andockt, aus dem sich Anfang der 90er radikale Feminismus-Spielarten wie die im Film aufgewärmte Riot Grrrl-Bewegung entwickelten – aber deren Stoßrichtung ignoriert.

Zu handzahm schmiegt sich der Film ans Komödienmodell vom Kampf der Kulturen, in der Vorurteile erst überhöht, dann relativiert werden. Dafür wird stets eine unscheinbare Hauptfigur in eine fremde, exotische Welt eingeführt, in der sie schließlich bleibt. Das momentane Mädchenpower-Kino ist also in der Krise: Serviert werden eine britische Komödie, die sich lieber an nostalgischen 50er-Slapstick anlehnt als das anarchische Potenzial ihrer damaligen Vorlage auszuloten – und die Mainstream-Fassung einer Underground-Bewegung als formal und inhaltlich fade Stereotypenparade ohne politisches Rückgrat. Frauen haben im zeitgenössischen Kino deutlich weniger zu lachen als Männer. Und das ist kein Klischee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.