„Die Boxtrolls“: In diesem Film steht Käse für Status

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Das Studio Laika produzierte seinen vierten Langfilm: Die Stop-Motion-Animation in 3-D ist ein entzückendes und vielschichtiges Werk für Klein und Groß.

Wenn es Nacht wird in Cheesebridge, steigen sie aus dem Untergrund: Monster mit leuchtenden Augen, die stehlen, was ihnen unter die Finger kommt. Wenn man nicht aufpasst, auch Menschenbabys, die sie fressen. So jedenfalls will es die Legende. In Wirklichkeit leben die Boxtrolls, kleine blaue Wesen mit großem Erfindergeist, als friedliche Kommune in einer Höhle unter der Stadt. Nachts erbeuten sie Müll und durchstöbern Dachböden. Ihre Körper stecken in Schachteln, die sie wie Einsiedlerkrebse bewohnen. Haben sie Angst, verschwinden sie darin. Der Aufdruck der Boxen bestimmt ihre Namen – Fish, Shoe oder Fragile. Ein Menschenkind lebt tatsächlich bei ihnen: Der Waise Eggs, benannt nach der Eierbox, die ihn kleidet, hat in den Boxtrolls eine liebevolle Familie gefunden.

Der im Stop-Motion-Verfahren hergestellte 3-D-Animationsfilm „Die Boxtrolls“ der Regisseure Graham Annable und Anthony Stacchi ist der vierte Langfilm des amerikanischen Animationsstudios Laika. Nach „Corpse Bride“ (2005), „Coraline“ (2009) und „ParaNorman“ (2012) ist es das erste Werk des Studios, das für (etwas größere) Kinder gemacht ist. Zwar waren Kinder in den beiden jüngeren Filmen die Hauptfiguren, die düster-komischen Geschichten richteten sich aber an ein erwachsenes Publikum. Inhaltlich scheinen sich die Laika-Animationen dem Thema der Parallelwelten verschrieben zu haben: Diesseits und Jenseits oder die Realität und eine verhexte Version derselben durchmischten sich in den vorangegangenen Filmen. Die Hauptfiguren fungieren jeweils als Vermittler zwischen den Welten.

Grundlage: „Here Be Monsters!“

In „Die Boxtrolls“ muss Eggs – mittlerweile seit zehn Jahren bei den Trollen – zusehen, wie seine Familie immer kleiner wird: Der durchtriebene Archibald Snatcher hat Bürgermeister Lord Portley-Rind überzeugt, ihn mit der Beseitigung der Monster zu betrauen. Wenn der letzte Troll verschwunden ist, so will es der Handel, wird Snatcher in den Kreis der adeligen Whiteheads aufgenommen: In Cheesebridge ist es ihnen vorbehalten, die feinsten Käsesorten zu verkosten.

Als Eggs bester Freund, Fish, gefangen wird, macht der Bub sich auf die Suche nach ihm. In der Menschenwelt begegnet er Winnie, der Tochter des Bürgermeisters. Gemeinsam bestehen sie ein Abenteuer, das die ober- und unterirdische Gesellschaft Cheesebridges verändern wird...

Lose auf dem Buch „Here Be Monsters!“ (2005) des englischen Autors und Zeichners Alan Snow basierend, haben die Drehbuchautoren Irena Brignull und Adam Pava eine entzückende Geschichte geschaffen, die auch für Erwachsene sehenswert ist. Angesiedelt im 19.Jahrhundert und begleitet vom schönen Soundtrack des italienischen Filmkomponisten Dario Marianelli, sprüht die Handlung nicht nur vor Einfallsreichtum und Witz. Ihre größte Stärke ist ihre Vielschichtigkeit: Der geltungssüchtige Snatcher jongliert geschickt mit Verhetzungstechniken und der verblendeten Oberschicht. Die aufgeweckte Winnie kann ihre Faszination für die blutigen Boxtroll-Legenden kaum verbergen. Eggs schockiert die feine Gesellschaft mit dem Fehlen von Manieren, blickt aber selbst mit Abscheu auf die hohlen Floskeln und das gespreizte Verhalten, die in der Menschenwelt Usus sind.

Große und kleine Zuseher verstehen das zentrale, gesellschaftskritische Käse-Gleichnis: Das in Cheesebridge über alles geschätzte Milchprodukt steht für Macht, Wohlstand, Status und nicht zuletzt für die Karriere, für die Eltern – in diesem Fall Winnies Vater – ihre Kinder vernachlässigen. Die warmherzigen Boxtrolls füllen für Eggs und Winnie so auch eine familiäre Lücke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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