Eagle Eye: Fahrt mit der Achterbahn der Angst

Shia LaBeouf
Shia LaBeouf(c) Kerry Hayes (Photo Credit: Kerry Hayes)
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Der Bürger ist gut, das System ein Schuft: Der Actionkrimi „Eagle Eye – Außer Kontrolle“ schürt Paranoia vor der Überwachung – und feiert die einschlägige Technologie.

Fast möchte man die erste Strophe von Cat Stevens „Father and Son“ anstimmen, so zärtlich und fürsorglich wirkt die Beziehung zwischen Steven Spielberg und Jungschauspieler Shia LaBeouf. Der Regisseur und Produzent hat LaBeouf im Verlauf der letzten Jahre in gleich mehreren seiner Spektakelfilme – darunter Transformers, Disturbia und den letzten Indiana Jones-Film – zu Hollywoods Hauptattraktion herangezüchtet: Der Lehrling dankt es seinem Mentor mit unendlichen, zumeist charmanten Variationen auf den All American Boy.

In der von Spielberg mitproduzierten, fast ins Vergnügliche übersteigerten Paranoia-Fantasy Eagle Eye– Außer Kontrolle darf LaBeouf in Holzfällerhemd und Jeanshose einen Angestellten im Kopierladen Copy Cabana geben: Als „kleiner Mann“, wie ihn sich ein Superreicher vorstellt, stolpert er sogleich in ein Verschwörungsszenario, wie es sich Hollywood wünscht. Auf seinem Girokonto finden sich hunderttausende Dollar. Der Freudentaumel ist noch nicht versiegt, da wird schon dessen Junggesellenbude von Kugeln durchsiebt. Just aus der Wohnung geflohen, erfährt er über das Mobiltelefon: „You've been activated!“ Fortan lotsen ihn Leuchtzeilen auf Häuserwänden oder Kurzmitteilungen durch das Labyrinth der Großstadt – und in das Auto einer jungen Mutter (unauffällig: Rachel Monahan). Keine große Überraschung: Auch sie ist aktiviert worden. Warum? Egal!

Unnötig kompliziertes Drehbuch

Der Regisseur, D.J. Caruso, ist ohnehin kein tauglicher Geheimniskrämer: Von Anfang an ist seinem hochproduzierten B-Film anzumerken, dass nicht einmal so getan werden soll, als sollte über das schick aneinandermontierte, sich in krachenden Actionszenen verflüchtigendes Verschwörungsszenario nachgedacht werden. Und doch wehen von allen Seiten die Warnhinweise – vor Bürgerentmündigung und Technokratie, vor Freiheitsverlust und einem neuen Faschismus – ins Bild. Vergleichbare Hetzjagden, etwa in Auf der Flucht oder The Game, grundierten die Strapazen des Flüchtenden noch mit dessen moralischem Dilemma. In Eagle Eye existieren derartige psychologische Feingliedrigkeiten nicht mehr: Der Bürger ist gut, das System ein Schuft.

Lieber serviert Caruso ein paar hochkarätige Schauspieler als Dekoration, etwa den lässig aufspielenden Billy Bob Thornton. Der jagt das flüchtende Paar zuerst, weiß aber bald schon nicht mehr, wieso er das überhaupt tun soll.

Den Zuseher beschleichen ähnliche Gefühle: Wie bei einer Achterbahnfahrt wird man durch die unnötig komplizierten Drehbucheinfälle geschleift, bis man irgendwann, endlich, beim Kern des Übels angelangt ist. Und der fällt dann – wie sollte es nach zwei Stunden hochgestapelten, spektakulären Actionszenen auch anders kommen? – fantastisch lächerlich aus. Eagle Eye ist aus gegenwärtigen Angstgefühlen herausgekratzter Blockbuster, der daran scheitert, zu einem vernünftigen oder zumindest annähernd aussagekräftigen Abschluss zu kommen. Am Ende muss zugegeben werden, dass all das überwachungsgesellschaftliche Säbelgerassel davor auch nur Spaß gewesen sein kann.

Gerade in dieser Haltung, die eigentlich Haltungslosigkeit ist, wird Carusos Film zum Ärgernis: Einerseits delektiert er sich an der Ästhetik einer computerisierten Welt, zeigt in langen Sequenzen, wie sich Pixel zur Weltkarte zusammenfügen, ist heiß darauf, den Zuseher mit seinen technologischen Spompanadeln zu beeindrucken. Andererseits holt er irgendwann aber dazu den erhobenen Zeigefinger raus: Gefahr!

Dilemma von Hollywood

Damit erzählt Eagle Eye dann doch von einem moralischen Dilemma – allerdings von dem des heutigen Hollywood, das seine Unterhaltungsfilme mit Gewissen aufladen will und darüber unglaubwürdig wird: im Spaß wie im Ernst. Zum Thema Überwachungsgesellschaft passte immerhin, dass bei der Wiener Pressevorführung den anwesenden Journalisten eine Person auffiel, die sich in einer dunklen Ecke des Saals versteckt hielt. In ihrer Hand eine Kamera, um die Filmkritiker zu überwachen und sicherzustellen, dass kein Filmschnipsel im Internet auftaucht. Auch diese ein Eagle Eye, leider aber kein Marketingschmäh.

Kassenerfolg

„Eagle Eye“ startete in den USA Ende Sep. auf dem Spitzenplatz der Box-Office-Charts, im Oktober wurde der Film von Disneys neuer Familienkomödie „Beverly Hills Chihuahua“ überholt. „Eagle Eye“ setzt damit die Serie von Kassenerfolgen mit Spielberg-Protegé Shia LaBeouf fort: Zuletzt spielte er im vierten „Indiana Jones“-Film, davor in Kommerzhits wie „Transformers“ und „Disturbia“ (auch von „Eagle Eye“-Regisseur D.J. Caruso).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2008)

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