„Serena“: Eine verschwendete Filmheldin

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In Susanne Biers Melodram „Serena“ scheitert ein Ehepaar an der Großen Depression, vor allem aber an sich selbst. Wie auch der Film.

Hoch zu Ross sitzt Serena, Titelheldin des gleichnamigen Films, als George Pemberton sie zum ersten Mal sieht. Mit erhobenem Kinn absolviert sie einen Springparcours. Nicht einmal ihre blonden, kinnlangen Wellen geraten dabei in Unordnung. Bald jagt George Serena querfeldein, diesmal verliert sie doch die Contenance. „Was machen Sie da?“, fragt sie ihn. „Wir sollten heiraten“, antwortet er. Kurz zuvor war er noch auf Pantherjagd, jetzt hat er eine Ehefrau gefangen. Mehr als das. „Ist sie deine Frau oder dein Partner?“, will ein Freund wissen. Beides. George und Serena teilen nicht nur ihr Bett im schlichten Holzhaus, inmitten der ewig herbstlich wirkenden Smoky Mountains North Carolinas, sondern auch den Ehrgeiz. Den werden der Holzfällerunternehmer und seine Frau brauchen. Es ist 1929, der Beginn der Großen Depression. Von nun an geht es bergab.

Filmstart mehrfach verschoben

„Serena“, nach einer Romanvorlage von Ron Rash, ist bereits der dritte Film, den die Hauptdarsteller Jennifer Lawrence und Bradley Cooper miteinander gedreht haben. In David O. Russells schräger Liebeskomödie „Silver Linings“ (2012) fanden sie als depressive Witwe und bipolarer Verlassener zueinander. Lawrence, damals 21, bekam dafür einen Oscar. Heuer waren beide mit Russells wirrem Siebzigerjahre-Kriminal-Liebesdrama „American Hustle“ (2013) erneut für Hollywoods Filmpreis nominiert.

Die Rückkehr dieses Dream-Teams ins Kino erfolgt erstaunlich leise. Publicity gibt es für das 2012 in Tschechien gedrehte Drama kaum, der Filmstart wurde mehrfach verschoben, in den USA zuletzt auf März. Aus Angst, dem Image der Hauptdarstellerin zu schaden, meint Filmkritiker Peter Bradshaw. Lawrence, Jugendidol und Kinokassenmagnet, liefert eine reife Performance, aber Serena ist keine Figur, für die man leicht Sympathien hegt, keine Paraderolle für Hollywoods Darling. Ihren Ehemann bindet sie durch Sex an sich und, als er ihr zu entgleiten droht, durch Komplizenschaft bei einem Mord. „Vor unserer Liebe existiert nichts“, sagt sie.

Ursprünglich hätte Regisseur Darren Aronofsky die nihilistische Parabel über wirtschaftlichen und persönlichen Verfall verfilmen sollen, ehe Regisseurin Susanne Bier einsprang. Die Dänin, die für das Familiendrama „In einer besseren Welt“ 2011 einen Oscar erhielt, nahm sich mehr als 18 Monate Zeit für ihren zweiten Film in englischer Sprache. Mit ihrem Hollywood-Debüt „Things We Lost in the Fire“ enttäuschte die einstige Anhängerin der Filmbewegung Dogma 95, die Realismus zum Gebot erhob. Auch „Serena“ ist missglückt, da helfen auch Morten Soborgs beeindruckende Außenaufnahmen nicht.

Im Wandel zur Verbrechergeschichte (mit Anklängen an „No Country for Old Men“) driftet der Film ins Absurde. Nachdem Serena ein Kind verliert, fällt sie Eifersuchtswahn anheim. Aus der willensstarken, wenngleich traumatisierten Figur, die einen Adler zum Schlangenkiller ausbildet, wird eine hysterische Bedrohung.

Motiv der Heiligen Familie

Die Absurdität kulminiert in einer Szene mit George, seiner Ex-Geliebten und dem gemeinsamen Kind: Zusammengekauert in einem Waggon erinnern sie an das Bildmotiv der Heiligen Familie. Nur in der traditionellen Familie könne der Mann sein Glück finden, suggeriert das. Diese Moral schwächt die Figur der Serena. Und so teilt sie auch ihr Schicksal mit anderen Figuren, die Filmen ihren Namen gaben: Ein Happy End gab es weder für Carrie noch für Thelma und Louise, nicht einmal fürs Auto Christine.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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