„Fast & Furious“: Die Welt ist ein rasendes Auto

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Auf dem Asphalt gilt die zivilisierte Welt nichts mehr: James Wan inszenierte für den siebten Teil von „Fast & Furious“ unfassbare Action-Sequenzen. Derzeit im Kino.

Sie rasen, rauchen und springen. Sie stürzen Abhänge hinunter, überschlagen sich und explodieren. Sie fallen aus Flugzeugen und segeln an Fallschirmen zu Boden. Ein Auto ist ein Auto ist kein Auto wie jedes andere im „Fast & Furious“-Universum. Die aufgemotzten, tiefergelegten Boliden sind Fenster zur Seele der Figuren, die seit 15 Jahren und in insgesamt sieben Filmen die Welt darüber definieren, wie und vor allem wie schnell sie sich befahren lässt.

Es wäre ein Leichtes, die enorm erfolgreiche Actionfilmreihe als kalkuliertes Abmelken von Bubenfantasien in eine Ecke zu stellen mit Fließbandhorrorfilmen und Sexklamotten. Aber es wäre auch falsch. Schon im ersten Film bekommt Hauptfigur Dom Toretto (sehr viele Muskeln, noch mehr Seele: Vin Diesel) feuchte Augen, als er seinem neuen Spezi Brian O'Conner (Paul Walker) jenes gepimpte Auto zeigt, das sakrosankt in der Garage ruht, gleichsam ein Memento für seinen verstorbenen Vater und Sinnbild einer Welthaltung. Diese erklärt die Straßen der Welt zur gesetzesfreien Kampfzone: Auf dem Asphalt gilt die zivilisierte Welt nichts mehr, auf dem Asphalt hinterlassen die Wildwestmythen dunkle Bremsspuren. Es sind die neuen Cowboys, die immer einen Gang höher schalten und nur dann abbremsen, wenn es wirklich nichts und niemanden mehr einzuholen gilt.

Hacker-Software „God's Eye“

Kameraderie ist Trumpf, auch im siebten Film: „Furious 7“ heißt er im Original, und das ist mehr als nur ein Zaunpfahlwink in Richtung des Westernklassikers „Die glorreichen Sieben“. Dom Toretto bleibt Pate und Ideologiemaschine, seine „Familie“, wie er die Crew nennt, macht, was er für richtig und wichtig hält. Zum Beispiel dem britischen Psychopathen Deckard Shaw (Serienneuzugang und „a legitimate English badass“: Jason Statham) das Handwerk zu legen, nachdem er einen der Schnellen und Furiosen gemeuchelt hat, als Rache dafür, dass diese seinen Bruder ins Koma gefahren haben. So dient er als MacGuffin, wie Hitchcock sagte, also dazu, die Handlung voranzutreiben, ebenso wie die Hacker-Software „God's Eye“. Sie ermöglicht das punktgenaue Aufspüren jedes Menschen innerhalb von Sekunden. Im Auftrag des Regierungsagenten Frank Petty (lässig: Kurt Russell) sollen Dom und seine Crew den Metadaten-Albtraum, der an Bord eines Hochsicherheitslasters durch die aserbaidschanischen Berge transportiert wird, sicherstellen. Sollten sie es schaffen, kann „God's Eye“ auch Shaw lokalisieren und den „Fast & Furious“-Rasern einen gewaltigen Vorteil verschaffen.

Vor allem aber gilt: Der Weg ist das Ziel, jedenfalls für den Zuschauer, denn Regisseur James Wan lässt sich nicht lumpen und inszeniert Action-Sequenzen, die alles übertreffen, was in den letzten zehn Jahren auf den Kinoleinwänden so explodiert ist. Der gebürtige Australier hat sich als Wunderwuzzi des Kleinbudgetschockers in Hollywood einen Namen gemacht: Unter seiner Regie blühten filmische Nachtschattengewächse wie „Saw“, „Insidious“ und „The Conjuring“ zu Millionenerfolgen auf und wucherten weit über die ihnen zugedachte Nische hinaus. Jetzt hat Wan, der höchst effizient arbeitende Handwerker, erstmalig ein Blockbuster-Großbudget übertragen bekommen. Und ja, jeden einzelnen der insgesamt 250 Millionen US-Dollar sieht man auf der Leinwand. Bei der unfassbaren Verfolgungsjagd über eine verwinkelte Bergstraße etwa. Oder wenn Toretto und O'Conner in Abu Dhabi mit einem Rennauto von einem Wolkenkratzer in den nächsten springen, in schwindelerregender Höhe. Oder wenn eine Kampfdrohne die Straßen von Los Angeles in Schutt und Asche legt.

Wan inszeniert all das hyperkinetisch, frenetisch, verliert inmitten des Krachbums aber nie die Orientierung: Eine technische Meisterleistung, realisiert mit eigens entwickelten, man kann auch sagen tiefergelegten Kamerasystemen, wie demjenigen, das eine flüssige 360-Grad-Drehung in der Senkrechten erlaubt. Der schwindelerregende Wow-Effekt kommt vor allem bei den Faustkämpfen zum Einsatz: Autofreie Auseinandersetzungen spielten in der „Fast & Furious“-Reihe bislang keine Rolle, Wan lässt im siebten Film jetzt sogar die finale Konfrontation zwischen Dom und Shaw Mann gegen Mann austragen. „The street always wins“, heißt es dann, und das meint, dass diejenigen, die auf und mit der Straße groß geworden sind und den Asphalt als existenzielle Fahrspur kennen und schätzen, immer die Oberhand behalten werden. Und man glaubt es dieser hoch sympathischen Truppe auch: Abseits von Diesel und Walker beeindrucken vor allem Tyrese Gibsons komödiantisches Timing und Michelle Rodríguez' klischeebefreite Weiblichkeit.

Ohne Paul Walker in die Zukunft

„Fast & Furious 7“ ist aber auch der Film, während dessen Dreharbeiten Paul Walker tödlich verunglückt ist. Seine beiden Brüder und körperlich fast identisch gebaute Darsteller spielten in den noch nicht gedrehten Sequenzen, Gesicht und Stimme des Verstorbenen wurden nachträglich per Computer in den Film hineingerechnet. Der Effekt ist verblüffend, weil so gut wie unsichtbar. Direkt nach Walkers Unfall war die Zukunft der „Fast & Furious“-Saga noch unklar, doch dann gaben die Produzenten bekannt, dass sie seinen Charakter in den Ruhestand schicken werden. Der Rest der Crew darf weiter Richtung Zukunft rasen, hinein in den achten Film. Aber immerhin: Tränen trocknen schnell, wenn man mit geöffneten Fenstern über die Straßen brettert. So schnell, so furios.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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