Musikfilme: Konzept-Album der ganz großen Gefühle

Universalove.
Universalove.(c) Stadtkino
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Eine Art Post-Rockoper aus Österreich: „Universalove“ verknüpft Episoden zum Pop von Naked Lunch – nur teilweise geglückt, aber der britischen Komödie „Radio Rock Revolution“ weit überlegen. Ab Freitag im Kino.

Es beginnt mit einem gelben Licht, das zwischen den Brüsten einer Frau pulsiert: der Herzschlag der Liebe als Herzschlag des Films. Dann schwellen Gitarrenklänge an, und ein Mädchen rast auf der Vespa durch die Stadt. Solche Fahrtbewegungen werden zum visuellen Leitmotiv: Liebende auf der Suche, getrieben von Hoffnung oder Verzweiflung – und von melancholischer, dann wieder heftig aufbrausender Rockmusik.

Den Musikfilm Universalove hat Regisseur Thomas Woschitz mit der gefeierten Rockband Naked Lunch (siehe Kasten) erarbeitet: Um deren Songs hatte Woschitz schon 2005 die einstündige Klagenfurt-Nachtreise Sperrstunde inszeniert. Diesmal geht es – der Titel ist programmatisch – ums Ganze. Ganz große Gefühle im globalen Panorama: Marseille und Belgrad, Rio de Janeiro und New York, Tokio und Luxemburg sind die Schauplätze von sechs verschiedenartig verlaufenden Liebesgeschichten. Ein wenig wie in den zuletzt populären Episodenfilmen à la Babel, die Geschichten rund um den Erdball verknüpfen – nur, dass Woschitzglücklicherweise auf die zwanghafte Konstruktion übergreifender Zusammenhänge verzichtet.

Altmodisch: Pathos zur Power-Balladen

Vermieden wird in der Regel auch die Verdopplung des Gesungenen im Bild: Es regieren Stimmungsbilder zu einschmeichelnden Pop-Atmosphären, dazwischen ein paar Dialogszenen. Aber als Erzählungen um Eifersucht, Leidenschaft und Liebesleid sind die sechs Episoden (in schlanken 80 Minuten) absehbar dünn, die Impressionen sind zu oft zu nahe am Klischee. Zwar wird mit bewussten Brechungen gearbeitet: In der Rio-Episode ist die verliebte Idolisierung eines Telenovela-Stars Anlass (selbst-)ironischer Momente; prinzipiell geht es immer wieder ans Meer – ein Schauplatz mit überreichen metaphorischen Qualitäten sowie ein Urlaubswerbungs-Abziehbild.

Aber letztlich überwiegen die Beschränkungen des Konzepts: Der Verzicht auf Verknüpfung der Geschichten ändert nichts an ihrem exemplarischen Charakter. So belegen sie aber nur, dass Pop-Stehsätze im Sinne von „Love is All Around Us“ eben als Refrain besser funktionieren denn als Filmsujet – da wirken sie so nichtssagend wie allgemeingültig. Auch, weil der Eindruck einer technisch versierten Abfolge von Musikvideos überwiegt.Universalove ist eine Art Post-Rockoper: Das Thema ganz altmodisch in Konzeptalbummanier umgesetzt, mit depressivem Pathos bei Power-Balladen und beschleunigter Ekstase zu hymnischen Arrangements, wie sie Naked Lunch so vorzüglich beherrschen. Dazu ein Querschnitt prägender Pop-Stilmittel der letzten Dekaden, von Zeitrafferstadtbildern à la Koyaanisqatsi zum zeitgemäßen Schub der Handkamera (souverän: Enzo Brandner), der dann doch ein Indiepop-Babel nahelegt.

Die Achillesferse von Woschitz ist geblieben: sein Hang zur ambitionierten, aber auch etwas angestrengten Originalität, deren Bezugspunkte eigentlich passé sind. Die Ernsthaftigkeit, selbst die nur teils geglückten Bemühung, Bild und Ton emotional zu verknüpfen, machen Universalove aber zum regelrechten Triumph im Vergleich mit der ebenfalls aktuell anlaufenden britischen Musikkomödie Radio Rock Revolution.

Zur (von Fakten inspirierten) Story über einen Piratensender in den Sixties schwelgt Regisseur Richard Curtis so hemmungslos in Nostalgie, dass er daneben auf Witz verzichtet hat – aber kein Klischee auslässt: Die Frauen sind willig, die Männer schrullig (sie werden zwar von Stars wie Philipp Seymour Hoffman gespielt, und haben doch weniger Eigenleben als die im abstrakten Konzept gefangenen Figuren bei Woschitz.) Aber echt unverzeihlich ist, wie Curtis die schöne Musik zur austauschbaren Hit-Klangtapete degradiert: The Boat that Rocked heißt der Film im Original, aber dieses Boot schwankt bedenklich – und nicht nur, weil der Humor auf dem platten Niveau eines Schwanks ist.

Zur Musik

Naked Lunch wurden 1991 gegründet. Nach einigen Jahren kam die Kärntner Band bei einer großen Plattenfirma unter, aber der erhoffte internationale Erfolg blieb aus. Nach einer Kreativpause verblüfften die einstigen Nirvana-Epigonen mit dem Album „Songs for the Exhausted“ (2004), mit „This Atom Heart of Ours“ bestätigten sie sich 2007 als eine der interessantesten Popbands Österreichs.

Der Soundtrack von „Universalove“ erscheint am 24. April bei Louisville Records. Naked Lunch begleiten den Film an ausgewählten Terminen live: am 17. April im Wiener Gartenbau, am 6. Mai im Innsbrucker Leo Kino, am 7. Mai im Spielboden Dornbirn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2009)

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