Filmpremiere: Der Herzog mit dem kalten Herzen

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Der Kinofilm „Die Herzogin“ versetzt die Tragödie der Lady Di ins 18. Jahrhundert. Regisseur Dibb hat in diesem Kostümfilm bewusst auf eine andere Lady Spencer angespielt, die in den Hochadel aufstieg.

Der Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes) will nur das eine: einen männlichen Erben. Dazu hat er die bezaubernde Georgiana Spencer (Keira Knightley) geheiratet. Die Frauen in ihrer Familie hätten beim Bubenerzeugen noch nie versagt, versichert ihre Mutter dem Bewerber. Nun steht sich das Paar im Schlafzimmer des beeindruckenden Schlosses gegenüber. Panik im Gesicht des minderjährigen Mädchens in Nahaufnahme. (In einer Fülle von Close-ups wird sich zeigen, wie differenziert Knightley spielen kann.) Der Herzog beginnt sie zu entkleiden, die Seide der atemberaubenden Garderobe raschelt. Schließlich greift er zur Schere und befreit die Gattin vom Korsett. Auf ihrem schönen Rücken sieht man noch die Striemen. Man ahnt, das wird keine Märchenhochzeitsnacht. Das hat man zuvor schon in den Augen der Brautmutter gesehen (Charlotte Rampling: still duldend, zugleich berechnend), die ihre Tochter in diese Karriere treibt.

Turmhohe Perücken mit Pfauenfedern

Regisseur Saul Dibb hat in diesem aufwendigen Kostümfilm bewusst auf eine andere Lady Spencer angespielt, die in den Hochadel aufstieg. Diana Spencer, die unglücklich mit dem Thronfolger Prince Charles verheiratet wurde und bei einem Autounfall mit ihrem Lover in Paris 1997 starb, ist eine Nachfahrin jener Georgiana Spencer aus dem späten 18. Jahrhundert, die auch eine Ménage à trois mit einer erdigen Geliebten des Gatten erdulden musste, die sich in modische Exzentrik, Kartenspiel und Alkohol flüchtete und mit allen Mitteln um die Zuneigung des Volkes warb. Ihre Garderobe ist abenteuerlich (drei Dutzend Kleider kriegt man zu sehen), die federbesetzten Perücken sind turmhoch. Ein Pfau ist diese Frau.

Giorgiana unterstützt aktiv die Whigs, deren späterer Führer, Charles Grey (Dominic Cooper), wird der Liebhaber der Herzogin und schließlich Premierminister. Cooper bleibt als Grey tatsächlich grau, man wünschte sich, dass lieber sein Parteifreund Charles James Fox, der spätere Außenminister, den Job bekäme; Simon McBurney spielt diesen wendigen Politiker grandios.

Erst aber wird die Hochzeit des Herzogpaares vollzogen. Im kurzen Beischlaf erweist sich der Gatte als einer, den schon zuvor sein ausdrucksloses, ja geradezu dummes Gesicht verraten hat; er ist ein brutaler Mann, der Probleme mit Gefühlen hat. Seine besten Freunde sind zwei Jagdhunde, am meisten Emotion zeigt er, wenn ihm das Lammfleisch nicht schmeckt. Der Herzog von Devonshire sei der einzige Mann in England, der nicht in seine Frau verliebt sei, heißt es einmal, in diese geistvolle Frau mit frühen emanzipatorischen Anwandlungen, deren Augen listig blitzen, wenn Sheridans Drama „School for Scandal“ gegeben wird. Der Herzog verkörpert die Kälte der Tradition. Fiennes ist genial in dieser Zurücknahme. Seelenlos sind seine Augen, wenn er, von Georgiana bei einem Seitensprung mit einem Dienstmädchen ertappt, kompromisslos Unterwerfung fordert. Die Ehefrau muss ein uneheliches Kind von ihm aufziehen – zum Üben für den Erben.

Mit der Mätresse an einem Tisch

Den kriegt er auch, aber er stellt sich jahrelang nicht ein. Es gehört zu den wenigen heiteren Szenen, wenn in einem Zeitsprung die Herzogin mit Ziehkind und zwei eigenen Töchtern in der Kutsche fährt. Meist aber überwiegen bei aller Opulenz die traurigen Einstellungen. Bei der Kur in Bath lernt das Paar Bess Foster (Hayley Atwell) kennen, die von ihrem Mann verstoßen wurde und nun um ihre drei Söhne kämpft. Der Herzog verschafft der neuen Freundin seiner Frau die Kinder, macht sie zugleich zur Mätresse, die in seinem Schloss wohnt. Zu dritt sitzt man an der enorm langen Tafel, links der Herzog, rechts die Herzogin, in der Mitte die Geliebte. Die Töchter ignoriert er, den Söhnen der Geliebten erklärt er liebevoll die Funktion eines Jagdgewehres.

Die erniedrigende Situation befördert Knightley in eine Achterbahn der Gefühle. Man arrangiert sich, sie begibt sich auf Reisen nach Bath mit ihrem Kurschatten Grey. Als aber die Affäre zu offen betrieben wird, verlangt der Herzog ein Ende. Das Kind, das Georgiana von Grey bekommt, wird ihr weggenommen und wächst bei seiner Familie auf. Die Übergabe dieser Tochter (ihr Kind wird Georgiana heißen) an den alten General Grey (John Shrapnel) ist einer der Höhepunkte dieses Films; Konvention und Wahrung des Scheins ist alles in dieser Gesellschaft, für die Ehe nur ein Geschäft, Frauen nur Gebärmaschinen sind. Der Herzog mag zwar beschränkt sein, aber in seinem Willen zur Macht und in der Beherrschung ihrer Mechanismen ist er unschlagbar.

Auf und ab geht es in dieser Beziehungskiste, ein wenig zieht sich das, aber vor Langeweile schützen Knightleys Schönheit, die ständige Modeschau, die Ballatmosphäre. Fast scheint es, als wäre Lady Di wiedergeboren, in eine Zeit, in der es für große Auftritte noch die passende Kulisse gab.

Auf einen Blick

Keira Knightley, Ralph Fiennes. Hayley Atwell und Charlotte Rampling sind die Stars dieses aufwendigen Kostümfilms von Regisseur Saul Dibb. Er zeigt die Geschichte einer ungewöhnlichen Lady aus dem 18.Jahrhundert, die in den Hochadel einheiratet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2009)

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