„Longwave“: Komödie in Zeiten der Nelkenrevolution

„Longwave“
„Longwave“(C) Swissfilm
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Der Film „Longwave“ konfrontiert ein Schweizer Radioteam mit dem Umsturz 1974 in Portugal. Witzig.

Der Rundfunkdirektor steht unter Druck: Der zuständige Bundesrat kritisiert den Mangel an „positiven“ Berichten. Finanzkrise, Atomproteste, das will doch keiner hören! Warum nicht einmal eine Reportage über die Errungenschaften der Entwicklungshilfe in Portugal? Also wird ein mäßig motivierter Reporterhaufen abkommandiert, in einem taubengrauen VW soll er Portugal bereisen und harmlose Audiopostkarten basteln. Nur: Wir schreiben April 1974, und die Nelkenrevolution, der Sturz des autoritären Estado Novo durch linke Militärs, steht vor der Tür.

Vor diesem turbulenten Hintergrund inszeniert der 37-jährige Schweizer Regisseur Lionel Baier nicht, wie man erwarten könnte, ein pathetisches Politdrama. Sein vierter Langspielfilm „Longwave“ ist vielmehr eine leichtfüßige und kurzweilige Komödie, deren Irrungen und Wirrungen wie die abgespeckte Euro-Variante eines Wes-Anderson-Films anmuten: Schrullig-sympathische Figuren und verspielte Stilschnörkel, pointierte Bildkompositionen und eine anspielungsreiche Ausstattung, gewitzter Pingpong-Dialog nach Screwball-Comedy-Vorbild und eine nostalgisch gerahmte Grundstimmung zwischen Heiterkeit und Melancholie – der Soundtrack besteht nur aus Gershwin-Stücken. Der Humor speist sich vornehmlich aus der Dynamik zwischen den ungleichen Radioreportern, alle glänzend besetzt, darunter Valérie Donzelli als Karrierefeministin und Michel Vuillermoz als Macho-Romantiker und Ex-Starkorrespondent.

Kurz vor der Kapitulation (die Hilfsgelder sind offenkundig versandet, die rassistischen Hetztiraden der Staatsdiener nicht sendefähig) rettet der Umsturz die Reportage. Zunächst bekommt das im Hinterland gestrandete Team gar nichts mit; in einem absurden Moment, der aus der Will-Ferrell-Kultklamotte „Anchorman“ stammen könnte, werden sie von journalistischen Doppelgängern aus Belgien aufgeklärt (gespielt vom Regisseur und den Produzenten des Films). Dann geht es ab nach Lissabon, und die Nelkenrevolution gerät zum Erlebnisurlaub...

Wie der Originaltitel „Les grandes ondes (à l'ouest)“ verrät, handelt es sich um den zweiten Teil einer von Baier geplanten Himmelsrichtung-Tetralogie, die mit dem sehenswerten „Comme des voleurs (à l'est)“ bereits in Polen Station gemacht hat, Schottland und Italien sollen folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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