„Marry Me!“: Indische Hochzeit in Kreuzberg

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Asiatische Familientradition prallt auf Berliner Singleleben: Neelesha Barthels bemühte Multikulti-Heiratskomödie „Marry Me!“ erschöpft sich schnell in platten Klischees.

Berlin ist eine Single-Hochburg. Mehr als die Hälfte der Berliner ist alleinstehend – aus Not oder aus Überzeugung. Bei Kissy, der Protagonistin der Komödie „Marry Me!“, trifft Letzteres zu: Sie genießt ihr Leben als ungebundene Powerfrau und wurschtelt sich durch den Kreuzberger Alltag. Mit Robert, dem Vater ihrer kleinen Tochter, verbindet sie eine pragmatische, freundschaftliche Beziehung – die drei leben gemeinsam mit Kissys kleiner Schwester, Roberts Yoga-süchtiger neuen Freundin, einem lesbischen Pärchen und zwei Übriggebliebenen aus der 68er-Bewegung im heruntergekommenen Haus der indischen Großmutter, wo Kissy auch ein Hipster-Café betreibt.

Der chaotische Patchwork-Alltag in der sozialromantischen Riesen-WG („Gib mir die Miete, wenn du sie hast“) funktioniert ganz gut – bis die ungeliebte Großmutter aus Indien auftaucht und für Ordnung sorgen will in Kissys frevelhaftem Leben: Aus dem schäbigen Café soll ein indisches Familienrestaurant werden, die Mieten sollen an die Marktverhältnisse angepasst werden, und Kissy soll gefälligst den Mann ihres Kindes ehelichen, wie es sich gehört für anständige Frauen. Falls sie sich weigert, droht die Großmutter, das Haus an einen schmierigen Investor zu verkaufen.

„Marry Me!“ ist das Kinodebüt der Berliner Regisseurin Neelesha Barthel und zum Teil autobiografisch: Als Tochter einer indischen Mutter und eines deutschen Vaters fühlt sich Barthel wie Kissy als Berlinerin und hat nur wenig Bezug zur indischen Kultur. War sie in Indien auf Verwandtenbesuch, musste sie ihr Privatleben stets „begradigen“, erinnert sich die Regisseurin– dass sie mit dem Vater ihrer Kinder nicht mehr zusammenlebt, durfte die Verwandtschaft lange nicht erfahren. Auch Kissy (die iranisch-stämmige Schauspielerin Maryam Zaree, die am Grazer Schauspielhaus mit der israelischen Regisseurin Yael Ronen das Stück „Niemandsland“ verfasst hat) beschließt, die verfahrene Situation mit einer kleinen Scharade geradezubiegen: Dann soll es eben eine Hochzeit geben!

Elefanten und dreckige Wiesen

Ab hier wird der Film platt und vorhersehbar. Kindskopf Robert und die restliche Hausgemeinschaft sind gar zu schnell überredet, bei der fingierten Hochzeit mitzuspielen, während die Großmutter schon einen Elefanten und die Großfamilie nach Kreuzberg bestellt und das Café zum indischen Tempel umdekoriert. Barthel spickt die Handlung mit Bollywood-Traumsequenzen und Sitar-Gezupfe, dazwischen gibt es – quasi als Gegenentwurf zum geordneten, patriarchalischen Weltbild der Großmutter – hippe Bilder aus Berlin: Vollgesprayte Fassaden, schmusende Körper auf dreckigen Wiesen. Der Culture-Clash soll möglichst authentisch daherkommen, die Außenaufnahmen wurden daher in Kreuzberg mit echten Passanten statt Statisten gedreht, für die Rolle der indischen Großmutter wurde Bharati Jaffrey, die Tochter von Bollywood-Ikone Ashok Kumar, eingeflogen.

Sie spielt überzeugend die von den heutigen Zuständen entsetzte, an alten Idealen festhaltende Schreckschraube, die auch mal einen Anfall vortäuscht, um ihre Forderungen durchzusetzen. Doch weder ihr noch den anderen überzeichneten, klischeehaften Charakteren ist eine glaubhafte Entwicklung gegönnt, der anfängliche Charme der aufeinanderprallenden Kulturen erschöpft sich schnell. Was bleibt, ist eine bemühte Multikulti-Heiratskomödie, deren kleine, absurd-komisch gelungenen Momente – etwa, als ein deutscher Hippie-Priester auf Hindi den Geist von Kissys verstorbener Mutter heraufbeschwört – nicht über die substanzielle Schwäche hinweghelfen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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