„Peanuts“: Charlie Brown hat auch 2015 kein Smartphone

1950 ist der erste „Peanuts“-Comicstrip erschienen, 65 Jahre später feiert der stets glücklose Charlie Brown sein Kinodebüt.
1950 ist der erste „Peanuts“-Comicstrip erschienen, 65 Jahre später feiert der stets glücklose Charlie Brown sein Kinodebüt.(c) Centfox
  • Drucken

Die „Peanuts“, die Comicstrip-Rasselbande von Charles M. Schulz, feiern ein gelungenes Comeback – in 3-D. Der simple, putzige Animationsfilm schärft nebenbei noch das Bewusstsein für ein Handy-freies Kinoerlebnis.

„Digital Detox“. Seit einigen Monaten macht diese Anleitung offline, aber auch online (!) die Runde: Das Smartphone, unseren Lebensbegleiter (eine führende Handymarke verwendet just diesen Slogan des „Life Companion“), solle man während des Urlaubs oder in gewissen Situationen zur Ruhe kommen lassen. Im Alltag ist das Gadget sehr praktisch, kann uns aber auch maßlos ärgern – Klassiker: das leuchtende Display des Sitznachbarn im Kino. Wurde man am Beginn der mobilen Ära vor dem Hauptfilm noch höflich gebeten, das Telefon auszuschalten, muss man mittlerweile auf die gute Kinderstube der Besucher hoffen. Vielleicht liefert ja ausgerechnet der neue „Peanuts“-Film eine subliminale Botschaft gegen die Verwendung von Handys in Lichtspieltheatern?

Die legendären Comicstrip-Figuren von Charles M. Schulz hat man lange nicht mehr in Spielfilmlänge gesehen. 1980 hieß es bezeichnenderweise „Bon Voyage, Charlie Brown (and Don't Come Back!!)“. Das neue 90-minütige Abenteuer, das den Titel „The Peanuts Movie“ (Regie: Steve Martino) trägt, ist das erste seit 35 Jahren, das erste im Kino und in 3-D. Die Geburtsstunde liegt 65 Jahre zurück: Am 2. Oktober 1950 erschien in neun Tageszeitungen, darunter der „Washington Post“, ein Comicstrip mit Charlie Brown, Shermy und Patty. Schon bald folgten der abenteuerlustige Hund Snoopy, der sensible Schroeder, die selbstverliebte Sally, die resolute Lucy und die anderen „Peanuts“-Figuren.

Charlie Brown, der liebenswerte Loser

Die erwachsene Darstellung und Ausdrucksweise der Kinderfiguren – die Erwachsenen sind im Gegensatz dazu nie gänzlich zu sehen und akustisch nicht zu verstehen – war schon in den frühen Geschichten zu erkennen. Charlie Brown wurde zum Inbegriff des unsicheren, introvertierten, aber liebenswerten Losers, des ewigen Singles mit schütterem Haar. Rat findet er bei Hobby-Psychiaterin Lucy („The Doctor Is In“), bei seinem Freund (Schmusedecken–)Linus oder bei seinem Beagle Snoopy, der sich wiederum in seine Fantasiewelt (den Ersten Weltkrieg) flüchtet und dort auf seiner Hundehütte fliegend den Roten Baron jagt.

All diese klassischen Elemente finden sich auch im neuen Film. Die Geschichte ist in wenigen Worten erzählt: Charlie Brown bekommt eine neue Klassenkameradin, „das kleine rothaarige Mädchen“. Und es ist – wie könnte es auch anders sein – Liebe auf den ersten Blick. Bei einer Gruppenarbeit erhofft er sich Erwiderung seiner Gefühle, doch das Mädchen muss aufgrund eines familiären Krankheitsfalls die Stadt verlassen. In der Zwischenzeit versucht Charlie verzweifelt, eine Buchkritik zu Leo Tolstois „Krieg und Frieden“ zu schreiben und gewinnt – eher zufällig – einen schulweiten Intelligenztest. Und siehe da, seine Popularität steigt rasant. Charlie Brown wird plötzlich verehrt. Bedeutet dies nun das Ende seiner schier ewigen Pechsträhne?

Der Teaser-Trailer zu „Peanuts“ erschien bereits vor über einem Jahr und warf zwei Fragen auf: Wie wird die Geschichte von Charlie Brown und Co. im Jahr 2015 erzählt? Und werden wir uns an den neuen, geometrischen Look der Protagonisten gewöhnen? Die Antwort bekommt man im Kinosaal: Die cinematografische Reanimation ist gelungen. Man gewöhnt sich schnell an die „neuen“, aber nostalgischen Peanuts. Digital und analog greifen gut ineinander.

Stimmen aus dem Archiv

So werden die Erinnerungen Charlies mit schwarz-weißen Comicstrips visualisiert. Die Stimmen von Snoopy (säuselnd) und seinem Vogel Woodstock (piepsend) stammen – hier wurde auf Archivaufnahmen zugegriffen – vom 2008 verstorbenen Bill Melendez. Dass der Film in 3-D produziert wurde, ergibt durchaus Sinn – etwa während Snoopys Flugsequenzen gegen den Roten Baron. Auf dessen Kampfflugzeug wurde übrigens das Eiserne Kreuz entfernt. Man wollte wohl vermeiden, dass Eltern ihren Kindern die Symbolik erklären müssen.

Der Lauf der unterhaltsamen und smarten Animationsfilme geht mit dem „Peanuts“-Film weiter. Er ist zwar meilenweit von der Subversivität des „Lego Movie“ oder der Psychologie von „Inside Out“ entfernt. Der Film zeigt aber, dass ein verstaubtes Franchise den Zeitsprung schaffen kann, ohne sich zeitgenössischen Trends anzubiedern. Einzig bei der Filmmusik ist Kritik angebracht. Die Verwendung der ganz im Zeitgeist liegenden, weich gespülten Songs der Popstars Meghan Trainor und Flo Rida hat wohl die Marketingabteilung zu verantworten. Eine Wohltat ist hingegen der jazzige Score von Christophe Beck, dem Bruder des genialen Chilly Gonzales. Er folgt auf Vince Guaraldi, den „Peanuts“-Komponisten schlechthin. Dessen superbe Stücke – wie „Linus and Lucy“ oder „Christmas Is Here“ – erklingen im Film in der Originalversion, aber auch in Adaptionen von Beck. Ein auditiver Genuss.

Die „Peanuts“ sind übrigens auch 2015 offline. Lucy tippt in der Wartezeit auf ihren nächsten Patienten nicht auf dem Handy. Schroeder macht keine Musik am Rechner, und Charlie Brown hat kein Facebook-Profil. Dieser simple, putzige Film lässt uns doch tatsächlich für knapp 90 Minuten nicht an unsere elektronischen Helferlein denken. Ein echtes Weihnachtsmärchen.

Peanuts

Die Peanuts wurden vom amerikanischen Zeichner und Karikaturisten Charles M. Schulz kreiert. 1950 erschien der erste Comicstrip, der letzte im Jahr 2000. Die Geschichten wurden in 21 Sprachen übersetzt und erreichten mehrere hundert Millionen Leser. Seit 1965 wurden vier Streifen in Spielfilmlänge und etliche TV-Specials wie „A Charlie Brown Christmas“ veröffentlicht. Die populärsten Figuren, Charlie Brown und sein Hund Snoopy, zieren Jahrzehnte später noch T-Shirts, Tassen und Bettwäsche. 2015 feiern die Peanuts ihr Film-Comeback.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.