„Zoomania“: Häschen sind nicht niedlich

(C) Disney
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Film. In „Zoomania“ weist ein Hase vom Lande die Machos in die Schranken. Der Krimi-Plot ist dünn, die Figuren allerdings sympathisch.

Anthropomorphismus, die Vermenschlichung von Tieren (und anderen Naturerscheinungen) ist eine kulturgeschichtliche Grundkonstante. Vom animistischen Götterkult verschiedener Urvölker über die Tierfabeln Äsops bis hin zu Klassikern der Kinder- und Weltliteratur wie „Der Wind in den Weiden“ oder zeitgenössischen Animationsserien à la „BoJack Horseman“ gibt es zahllose Beispiele für die eigentümliche Angewohnheit des Homo sapiens, das Tierische und das Menschliche zusammenzuführen.

Disney – die Firma, deren Mickey-Mouse-Wappentier zu den berühmtesten anthropomorphen Figuren aller Zeiten gehört – erweitert diesen traditionsreichen Kanon mit seinem neuesten Animationsstreich „Zootopia“ (für den deutschsprachigen Markt aus gewohnt unerfindlichen Gründen auf „Zoomania“ umgetauft) um einen unerheblichen, aber kurzweiligen Eintrag. Der Film folgt dem Häschen Judy Hopps (im Original gesprochen von Ginnifer Goodwin), das sich nichts sehnlicher wünscht, als Polizistin in der titelgebenden Metropole zu werden – denn zu Hause auf dem Land sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, und als Karottenbäuerin in die Fußstapfen ihrer übertrieben fürsorglichen Eltern treten, das sagt der burschikosen und ehrgeizigen Draufgängerin nicht zu.

Also macht sie sich nach bestandener Ausbildung mit Funken in den Augen und Feuer im Herzen auf in die gelobte Stadt, einen kunterbunten Gattungsschmelztiegel, wo Raub- und Beutetiere aller Arten Seite an Seite leben.

Als Judy mit dem Hochgeschwindigkeitszug in dieses hochmoderne Universalbiotop einfährt, saust die Kamera wie der Wind durch seine klimaregulierten Bezirke – von Tundra-Town über Sahara-Square bis zum Amazonas-Viertel – und die Blitzrundschau erstaunt den Neuankömmling (und den Zuschauer) mit Myriaden liebevoller Details.

Idris Elba spricht den Chef

Doch der überwältigende Ersteindruck weicht bald der Ernüchterung, als Judy von ihrem strengen Büffel-Chef Bogo (Idris Elba) zur Parkraumüberwachung verdonnert wird – dem Quotenhäschen traut man nichts Besseres zu. Nur durch Zufall wird sie auf einen kniffligen Fall um vermisste Raubtiere angesetzt. Im Zuge ihrer Ermittlungen sichert Judy sich die widerwillige Unterstützung des ausgefuchsten Trickbetrügers Nick Wilde (Jason Bateman), und bald kommen die beiden hinter eine Verschwörung, die bis in höchste Kreise reicht.

„Zootopia“ (Regie: Rich Moore und Byron Howard, der 2010 mit „Rapunzel. Neu verföhnt“ Disneys Animationsabteilung revitalisierte) zieht seinen Humor oft aus der Kreuzung von animalischen Klischees mit menschlichen Stereotypen: Die Bürokratie ist etwa von Faultieren bevölkert, die in Zeitlupe kommunizieren, und ein windiges Wiesel (auf Deutsch gesprochen von Armin Assinger) erweist sich als Taschendieb. Aber im Kern geht es dem Film um Inklusion und Diversität: In Zootopia kann jeder werden, was er will, unabhängig von seiner zoologischen Zuordnung – ein zentrales Handlungsmotiv ist die Überwindung „natürlicher“ Feindschaften. Überhaupt verankert Disney seine familienfreundliche Abenteuergeschichte in einer nur leicht verfremdeten Gegenwart voller Anspielungen, die den Erwachsenen im Publikum bekannt vorkommen wird. Neben Smartphones, iPads und Überwachungskameras sind auch politische Korrektheit und Rassismus Teil dieser Welt: Wie sich herausstellt, ist es unhöflich, Hasen „niedlich“ zu nennen, und die Hauptintrige rankt sich um überkommene Vorurteile gegenüber dem Killerinstinkt von Raubtieren.

Der Krimi-Plot mit seinen sanften Film-noir-Anklängen ist letzten Endes etwas dünn, und insgesamt erinnert „Zootopia“ mehr an die Pilotfolge einer ambitionierten TV-Serie, als einem vollwertigen Kinovergnügen guttut. Aber im Fall eines Erfolgs kann man mit einer Fortsetzung rechnen, und die Bewohner dieses tierischen Wimmelbilds sind sympathisch genug, um ein Wiedersehen zu rechtfertigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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