Ensemblefilm: Der mangelnde Witz der Bourgeoisie

Die Komödie „Affären à la carte“: französisches Fast Food. Im Kino.

„Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Sie kommt und geht von einem zum andern.“ Diese Weisheit sang Connie Francis 1960 in einem Schlager, und damit lässt sich immer noch der Großteil der Liebesfilme zusammenfassen, ob sie aus Hollywood kommen oder woandersher.

Gute Regisseure tauchen durch menschliche Gefühlswelten und bringen Erkenntnisse über das Zusammenleben, vielleicht sogar über die Gesellschaft an die Oberfläche. Schlechte Regisseure drehen Seifenopern. In Danièle Thompsons plänkelnder Tragikomödie Affären à la carte (im Original: Le code a changé) lädt Marie-Laurence, „die beste Scheidungsanwältin der Stadt“, Bekannte und solche, die es noch werden wollen, zu einem Abendessen ein: Aufgetischt wird Bigos, ein polnischer Klassiker aus Knoblauchwurst, Schweinefleisch, Weißkohl und Sauerkraut. Mundgeruch ist garantiert, eine prekäre Stimmung ebenfalls: Denn so gut wie alle Figuren – vom Onkologen hin zum Küchenarchitekten – hatten schon miteinander zu tun, aus privaten, professionellen oder sogar libidinösen Beweggründen.

Bessere kriegen in Gallien ihr Fett weg

Das Sezieren der selbstgefälligen Bourgeoisie ist, wenn man so will, ein Steckenpferd des französischen Kinos: Von Luis Buñuels großem, galligem Spätwerk Der diskrete Charme der Bourgeoisie zu Marco Ferreris Groteske Das große Fressen haben „die Besseren“ im gallischen Film ihr Fett wegbekommen. Das Sodbrennen solcher Klassiker strebt Frau Thompson, die das Drehbuch gemeinsam mit ihrem Sohn Christopher verfasst hat, nicht an: Der Zuseher soll zwar an dem einen oder anderen Dialogbissen zu kauen haben, insgesamt allerdings zufrieden aus dem Kinosaal rollen.

Das interessanteste Element des Films ist der Masochismus, mit dem die Regisseurin ihr eigenes Milieu zerlegt: Hinter jedem Lächeln kauert Missachtung, bei jedem Tratsch baut sich eine Intrige auf. Wären also die Figuren nicht allesamt so klischeeverzerrt und uninteressant, könnte sich aus diesem unsittlichen Sittenspiel, aus der unmoralischen Moralerzählung so etwas wie eine charmante, jedenfalls ambivalente Komödie entwickeln. Unter Thompsons Leitung allerdings bleiben die Abgründe und Tragödien seicht und leicht verdaulich: schnell verspeist, flugs wieder ausgeschieden – filmisches Fast Food à la français. mak

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2009)

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