„Jason Bourne“: Der Muskelmann ohne Eigenschaften

Bourne (Matt Damon) ist in Griechenland untergetaucht – doch da ruft die alte Routine.
Bourne (Matt Damon) ist in Griechenland untergetaucht – doch da ruft die alte Routine.(c) Universal Pictures
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In „Jason Bourne“ sucht Matt Damon erneut nach Wahrheiten aus der Vergangenheit. Kommt er nie zur Ruhe?

Das größte Geheimnis der Jason-Bourne-Reihe ist ihr anhaltender Erfolg. Der titelgebende Superagent gehört zu den charakterärmsten Actionhelden der Blockbuster-Geschichte: Ein Muskelmann ohne Eigenschaften, dessen Bemühungen, seine verlorene (aber nicht besonders interessante) Identität wiederherzustellen, sich im Kreis zu drehen scheinen. Die Figur hat etwas Kafkaeskes: Verfolgt von gesichtslosen Häschern und humorlosen Geheimdienst-Anzugträgern prügelt sie sich mechanisch von Szene zu Szene bis zum temporären Triumph, ohne je Frieden zu finden. Aber vielleicht macht genau das ihren Reiz aus: Ein Mensch, der sich Sisyphos-artig gegen den Druck und die Hektik einer chaotischen Gegenwart zur Wehr setzt, der nie mit sich selbst in Einklang kommt, darin kann man sich gut wiedererkennen. Der Filmkritiker Ignatiy Vishnevetsky hat es einmal auf den Punkt gebracht: Bourne ist wie James Bond, wenn James Bond seinen Job hasste.

Matt Damons abgehärmtes Milchgesicht ist weit entfernt von der weltgewandten Coolness Roger Moores und Sean Connerys, aber es macht die Kampfmaschine Bourne ganz ohne umständliche Charakterzeichnung verletzlich und nahbar. Der letzte Film der Reihe verzichtete darauf und schickte Jeremy Renner als Ersatz-Agenten ins Rennen, mit mäßigem Erfolg. Jetzt ist Damon wieder da. „Jason Bourne“ lautet der schlichte Titel des neuen Teils, wie um zu zementieren, dass es doch nur einen geben kann.

„Ich erinnere mich an alles“, heißt es im eröffnenden Voice-Over, aber natürlich ist das eine falsche Fährte. Nach seinem letzten Abenteuer ist Bourne in Griechenland untergetaucht. Er vertreibt sich die Zeit mit illegalen Boxkämpfen, als eine ehemalige Kollegin ihn kontaktiert: Sie hat die Datenbanken der CIA gehackt und herausgefunden, dass Bournes Vater in das geheime Regierungsprogramm involviert war, dem er seine Fähigkeiten ebenso verdankt wie sein Schicksal als gesuchter Mann. Auf der erneuten Suche nach Wahrheiten aus seiner Vergangenheit gerät er natürlich ins Fadenkreuz seiner einstigen Aufraggeber. Der zynische CIA-Veteran Robert Dewey (ein souveräner Tommy Lee Jones), dessen aufstrebende Untergebene (Alicia Vikander) und ein kaltblütiger Auftragsmörder (grimmig: Vincent Cassel) versuchen, ihn zur Strecke zu bringen.

Athener Demo als bloße Kulisse

Im Zuge seiner Verfolgungskaskaden entwirft „Jason Bourne“ ein finsteres Zeitgeist-Panorama, das nach politischer Brisanz heischt, aber eher den Eindruck eines hysterischen Facebook-Kolportage-Feeds erweckt. Europa erscheint entweder als trister Hinterhof oder als Pulverfass: Eine zentrale Sequenz spielt während einer Demo am Syntagma-Platz in Athen, doch die Eskalationsbilder bleiben bloße Kulissen für Bournes Action-Tourismus. Andere Reizthemen werden tangiert, aber nie vertieft, etwa die Kollaboration von Social-Media-Firmen und US-Geheimdiensten – wobei die CIA in ihrer Darstellung als Totalüberwachungsmoloch ohnehin nicht auf fremde Hilfe angewiesen scheint.

Man könnte das alles verzeihen, wenn wenigstens die Action gut wäre. Neben Damon wurde auch Regisseur Paul Greengrass reaktiviert. Seine „Bourne-Verschwörung“ (2004) brachte mit Wackelkamera, reduziertem Musikeinsatz und erhöhter Montagefrequenz eine neue Art roher Intensität ins Geplänkel-Kino. Nun ist sein Stil nur noch inkohärent, eine penetrante Attacke auf die Wahrnehmung des Zuschauers. Das Resultat ist nicht Spannung, sondern Anspannung, ein formelhafter Action-Effekt statt echter Action.

Matt Damon hat unlängst angekündigt, eine längere Drehpause einlegen zu wollen. Vielleicht kann sich Jason Bourne nun endlich zur wohlverdienten Ruhe betten. Nach diesem Film hat er es bitter nötig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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