„Rote Rüben in Teheran“: Nach 47 Jahren wieder im Iran

„Ich bin kein Rückkehrer, auch kein Tourist“: Houchang Allahyari mit seinem Sohn Tom-Dariusch Allahyari in „Rote Rüben in Teheran“.
„Ich bin kein Rückkehrer, auch kein Tourist“: Houchang Allahyari mit seinem Sohn Tom-Dariusch Allahyari in „Rote Rüben in Teheran“.(c) Stadtkino
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Houchang Allahyari reiste mit seinem Sohn in seine alte Heimat: „Rote Rüben in Teheran“, ein Film voller Reminiszenzen, aber etwas gar nostalgisch.

Siebenundvierzig Jahre sind eine lange Zeit. So lang war Houchang Allahyari nicht in seinem Geburtsland, Iran. Erst, weil er mit dem Medizinstudium in Wien, seiner Tätigkeit als Psychiater und Filmemacher genug zu tun hatte. Dann, weil seine näheren Verwandten auch nach Wien kamen und er die Großfamilie in Istanbul treffen konnte.

Ein Sehnsuchtsort ist der Iran für Allahyari geblieben. Nach 47 Jahren fuhr er – auf Einladung eines Filmfestivals in Isfahan – wieder in die alte Heimat, um zu sehen, was sie mit ihm macht. Für seinen Sohn Tom-Dariusch ist es ein Land, das er nur aus Erzählungen kennt – und das wohl längst nicht mehr dem Bild entspricht, das sein Vater in seiner Erinnerung behalten und ihm vermittelt hat. Auch mit ihm scheint die Reise etwas zu machen: „Ich bin kein Rückkehrer, aber auch kein Tourist. Ich bin kein Iraner, aber auch kein Nichtiraner“, sinniert er am Beginn von „Rote Rüben in Teheran“, dem Film, den die beiden über ihren Besuch im Iran gemacht haben.

Es ist ein nachdenkliches, sehr persönliches Werk geworden: In vielen Einstellungen gehen Vater und Sohn gemächlich durch die Straßen, der erste in Nostalgie versunken, der zweite voller Neugier und Fragen. Sie handeln von Houchang Allahyaris Kindheit, den vielen Orten und wie sie sich verändert haben: Im Süden von Teheran, heute eine heruntergekommene Gegend, war früher die Fabrik seines Vaters, erzählt Allahyari, die trockene Fläche, die sie in Isfahan besichtigen, war ein beliebter Fluss: „Das war früher ein Platz für Verliebte.“ Bald wird klar, dass der Sohn hier auf Identitätsfragen zurückgeworfen wird, von denen er dachte, dass er sie längst beantwortet hat: Was hat dieses Land, diese Kultur, was haben diese Menschen mit mir zu tun?

Erinnerung an Kino mit der Oma

Und Menschen kommen einige zu Wort. Sie ergeben gemeinsam ein – wenn auch kleines, unvollständiges – Mosaik der heutigen iranischen Gesellschaft: Die Allahyaris interviewten etwa zwei Filmemacher, die sich scheiden lassen wollen, einen zehnjährigen afghanischen Flüchtling, der auf der Straße Taschentücher verkauft, eine alte Dame, die einmal ein großer Filmstar war. Dazwischen gibt es geschichtliche Exkurse. Vor allem aber geht es um Houchang Allahyari selbst, seine Sehnsucht nach der alten Heimat und die Ursprünge seiner Liebe zum Film. Ein Schauplatz nach dem anderen weckt Erinnerungen: an die ersten Kinobesuche mit der Großmutter, die den Enkel als Vorwand benutzte, um selbst Filme sehen zu können, an das Theaterspielen mit den Geschwistern (Allahyari war stets der Regisseur, der die anderen herumkommandierte), an den Urgroßvater, der einst als Pionier die ersten Filme im Iran zeigte – und nun als Porträt im Filmmuseum in Teheran hängt.

In Zwiegesprächen aus dem Off und vor der Kamera walzen Vater und Sohn die vielen Gefühle aus, die all das bei ihnen weckt – und überschreiten dabei mitunter die Grenze zu Redundanz und Kitsch. Natürlich, die Verwirrung, die Wehmut darüber, dass die Suche nach der eigenen Identität nie abgeschlossen sein kann, die gemischten Emotionen, die der Klang eines alten Lieblingslieds weckt, oder der Duft der Roten Rüben, die in Teheran auf der Straße gekocht werden – all das kommt beim Zuschauer an. Doch was in diesen 47 Jahren nun wirklich aus dem Iran geworden ist, davon würde man gern mehr erfahren in diesem allzu nostalgischen Film.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2016)

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