„Rogue One“: Komparsen im Krieg der Sterne

Die meisten Charaktere, die in „Rogue One“ kämpfen (hier Donnie Yen als Chirrut Îmwe), sind nicht mehr als glorifizierte Fußnoten in ausgefallenen Kostümen.
Die meisten Charaktere, die in „Rogue One“ kämpfen (hier Donnie Yen als Chirrut Îmwe), sind nicht mehr als glorifizierte Fußnoten in ausgefallenen Kostümen.(c) Lucasfilm
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Für „Rogue One“ hat Disney eine Randnotiz aus dem allerersten „Star Wars“-Film zu einem Blockbuster aufgeblasen. Dem Mythos der Weltraumsaga fügt er kaum etwas hinzu.

Als Spin-offs bezeichnet man im Fachjargon der Unterhaltungsbranche Ableger von Erfolgsproduktionen, die Mücken in Elefanten verwandeln sollen. Sie greifen Einzelelemente beliebter Erzählwelten auf, bieten ihnen eine eigene Plattform und hoffen auf die Neugierde der Fans. Meist werden dabei Nebenfiguren ins Zentrum gerückt, und sind sie charismatisch genug, kann das Rezept aufgehen: Die Sitcom „Frasier“ stand dem Erfolg ihrer kultigen Quelle „Cheers“ um nichts nach, „Better Call Saul“ konnte bei vielen „Breaking Bad“-Enthusiasten reüssieren.

„Rogue One“, der neueste Himmelskörper des unablässig expandierenden „Star Wars“-Universums, ist auch ein Spin-off. Allerdings fußt er nicht auf einprägsamen Figuren oder unvergesslichen Szenen der weitläufigen Sternenkriegs-Mythologie. Sein Sprungbrett ist ein einziger Satz. Im einleitenden Fließbandtext von Episode IV steht geschrieben: „Während der Schlacht ist es Spionen der Rebellen gelungen, Geheimpläne über die absolute Waffe des Imperiums in ihren Besitz zu bringen.“ Nicht viel mehr als eine Randnotiz – aber wollen Sie nicht wissen, wie diese Spione an die Pläne gekommen sind? Wie sie heißen? Wo sie zur Schule gingen? Der Disney-Konzern geht stark davon aus.

Was bezeugt, dass sich das Vertrauen Hollywoods in die Macht der „Star Wars“-Marke auf einem Höhepunkt befindet. Bereits ein Jahr nach „The Force Awakens“ setzt „Rogue One“ dem Publikum einen weiteren Heldenbatzen vor, und solange ein paar X-Flügler durchs Bild fegen, so die Erwartung, wird sich das Interesse schon einstellen. Doch unter den zahlreichen Schwächen des Films sticht vor allem eine hervor: Er fügt dem Mythos und der Ikonografie der Weltraumsaga nichts Nennenswertes hinzu. Es ist ein Unterkapitel, das man getrost überblättern kann.

Erzählt wird die Geschichte der jungen Einzelgängerin Jyn Erso (Felicity Jones). Als Kind wurde ihre Mutter vom Imperium ermordet und ihr Vater Galen, ein brillanter Wissenschaftler (würdevoll: Mads Mikkelsen), zwangsrekrutiert. Seither hat sie große Wut im Bauch und weiß nicht, wohin damit. Bis die Rebellen sie aus den Klauen des Bösen befreien und auf geheime Mission schicken: Ein radikaler Flügel des Widerstands weiß angeblich, wie der Todesstern zerstört werden kann. Dessen Anführer, Saw Gerrera (Forest Whitaker), hat Jyn einst großgezogen. Zusammen mit dem hartgesottenen Nachrichtenoffizier Cassian Andor (Diego Luna) und einem umprogrammierten Imperialdroiden (im Grunde ein grauer C3PO mit mehr Selbstbewusstsein) soll sie ihm die Pläne entlocken – denn die Superwaffe steht kurz vor der Fertigstellung.

Nostalgie um jeden Preis

So knackig diese Handlung klingt, so umständlich gestaltet sich ihr Ablauf. Was auch immer man an „The Force Awakens“ aussetzen konnte – mitreißend war der Film allemal. „Rogue One“ hingegen stottert und stakst über weite Strecken recht unbeholfen vor sich hin. Ständig wechselt man den Planeten und die Perspektive, ohne je ein richtiges Gefühl für Schauplätze und Figuren zu bekommen – Dringlichkeit kommt dabei keine auf, kaum eine Szene bleibt in Erinnerung. Es hilft nicht, dass der bunte Freiheitskämpferhaufen, an den wir unser Herz heften sollen, nur wenig Charakter entwickelt: Die meisten von ihnen sind glorifizierte Fußnoten in ausgefallenen Kostümen.

Besonders auffällig ist das beim blinden Mönch Chirrut Îmwe und seinem vierschrötigen Söldnerkumpel (Donnie Yen und Wen Jiang). Im alten Jedi-Ritter-Wallfahrtsort Jedah schließen sie sich der Bande an und demonstrieren ihre Action-Fähigkeiten – die jedoch nie wieder richtig zum Einsatz kommen. Oft wirken die zwei fehl am Platz, ebenso wie Peter Cushing: Der 1994 verstorbene Meistermime spielte im ersten „Star Wars“-Teil einen Schergen des Imperiums. Für „Rogue One“ wurde er digital reanimiert und beweist, dass CGI-Gespenster noch nicht bereit sind, ihr „unheimliches Tal“ zu verlassen – also jenen ästhetischen Graubereich, in dem Menschenähnlichkeit für Befremden sorgt. Doch „Star Wars“ heißt nicht zuletzt: Nostalgie um jeden Preis.

Wirklich markant ist eigentlich nur Whitaker, dessen Overacting seit dem Scientology-Sci-Fi-Trash „Battlefield Earth“ nicht mehr so lustig war. Aber vielleicht ist die Schablonenhaftigkeit der Figuren auch im Sinne der Fans – sie dürfen diese Pappkameraden nun ausmalen. Und in gewisser Hinsicht passt sie zum Konzept: Es geht nicht um die großen Auserwählten, sondern um die Komparsen, die unbekannten Soldaten der Weltraumoper. Dementsprechend mutiert „Rouge One“ in seiner (besseren) zweiten Hälfte zu einer Art Kriegsfilm mit großen Schlachtszenen zu Land und in der Luft, als die Rebellen eine tropische Feindesbasis attackieren.

Visuell setzt Regisseur Gareth Edwards, verantwortlich für das jüngste „Godzilla“-Remake, verstärkt auf Handkamera. Große, erhabene Kinobilder sind Mangelware, das Spektakel hat kein Gewicht. Erst in den letzten zehn Minuten kommt der Film in die Gänge und saust ganz unvermittelt durch eine Handvoll starker Momente ins Schwarze einer schönen Schlusspointe. Die darf man natürlich nicht verraten, Spoiler sind nicht gern gesehen. Schade eigentlich – denn der Rest von „Rouge One“ ist nicht wirklich der Rede wert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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