„Allied“: Die verliebten Spione von Casablanca

(C) Constantin Film
  • Drucken

Robert Zemeckis „Allied“ mit Brad Pitt und Marion Cotillard ist ein packendes Melodram im Retrogewand.

Die klassische Ära Hollywoods ist in so weite Ferne gerückt, dass inzwischen sogar die Neoklassizisten unter den US-Regisseuren altväterisch anmuten. Ein Beispiel dafür wäre Robert Zemeckis („Forrest Gump“, „Zurück in die Zukunft“): Er gehörte zu den erfolgreichsten Blockbusterhandwerkern der Spielberg-Generation und erfand sich in den Nullerjahren neu als Motion-Capture-Pionier („Der Polarexpress“). Zemeckis' technische Vorstöße sind nach wie vor wegweisend, aber sein schwungvoll-eleganter Stil scheint mittlerweile aus der Zeit gefallen. Nun macht er aus dieser Not eine Tugend: Seine jüngste Arbeit „Allied – Vertraute Fremde“ erinnert ausdrücklich und absichtlich an die besten Tage der Traumfabrik, präsentiert sich als Kinoäquivalent eines edlen Reserveweins für besondere Anlässe.

Und kaum ein Genre eignet sich besser dafür, Klasse zu zeigen, als das Glamour-Melodram: Stars in prachtvollen Kostümen wecken große Gefühle vor exotischen Kulissen. „Allied“ beginnt in Casablanca, aber der Schauplatz ist nicht das Einzige, was an die Kultromanze mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman erinnert. Auch der Plot nimmt Anleihen bei den Weltkriegsintrigen des Films. 1942 landet der kanadische Air-Force-Agent Max (Brad Pitt) per Fallschirm in Französisch-Marokko. Sein Auftrag: die Liquidierung eines Nazi-Botschafters. Vom Kontaktmann bekommt er Waffen, Geld – und einen Ehering. Mit der französischen Widerstandskämpferin Marianne (Marion Cotillard) soll er im Ehepartnerdeckmantel die deutsche Gesellschaft infiltrieren. Zunächst wahren die zwei hinter der Fassade professionelle Distanz – aber natürlich ist das Rollenspiel zu reizvoll, um nicht Ernst zu werden.

Eingangs turtelt man bloß als nächtliches Fenstertheater für die neugierigen Nachbarn, schließlich auch dann, wenn niemand mehr zusieht. Gefühle könnten die Mission gefährden, aber Mariannes hingebungsvolle Maskerade lässt die Bedenken verpuffen: „I keep the emotions real“, wie sie sagt. Beim Ausflug in die Wüste kommt es zum innigen Liebesakt im Auto, während draußen ein (computeranimierter) Sandsturm fegt – von Zemeckis als große romantische Geste gesetzt, mit üppiger Musik und 360-Grad-Kameraumrundung. Parallel gibt es ein bisschen Thrillergeplänkel, das zuweilen wie ein Echo von „Inglourious Basterds“ wirkt (Pitt darf wieder Nazis meucheln, August Diehl hat einen Kurzauftritt als SS-Offizier).

Kindesgeburt im Bombenhagel

Doch das ist nur Beiwerk. Denn im Kern ist „Allied“ ein Ehedrama, dessen historisch-politisches Setting nur spannungsdramaturgischer Vorwand ist. Von Marokko wandert die Handlung nach London, wo sich das Agentenpaar ein trautes Heim eingerichtet hat, mit frischem Blitzkriegsbaby in der Krippe. Bei dessen Geburt im expressionistischen Bombenhagel beteuert Marianne: „Das bin wirklich ich!“ Kurz darauf gerät sie trotzdem unter „Verdacht“: Der britische Geheimdienst (den der schon immer satirisch veranlagte Zemeckis als Hedonistenhaufen porträtiert) wittert ihre Untreue – im Sinne von Landesverrat – und legt ihr Schicksal in Max' Hände. Er ist felsenfest von ihrer Unschuld überzeugt, aber der Keim der Unsicherheit kann selbst Felsen sprengen. Und so stellt sich das Publikum mit ihm die fragwürdige Frage: Kann man(n) Frauen trauen?

Es folgt eine Spurensuche als Psychoparcours, über weite Strecken geschickt und packend inszeniert. Die Hauptdarsteller machen ihre Sache gut. Pitt hat keine sonderlich große Ausdruckspalette, aber zu seiner zugeknöpften Rolle passt das ganz gut: Wenn er in Tränen ausbricht, wirkt das gerade in seiner Angestrengtheit kathartisch. Cotillard beeindruckt indes mit ihrer Wandlungsfähigkeit. Der Retro-Gestus von „Allied“ hält im Übrigen bis zur moralischen Schlusspointe, die dennoch überraschend zeitgemäß wirkt: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.