„Happy Film“: Meditation oder Medikation?

Stefan Sagmeister versuchte, sein Glücksbefinden zu optimieren. Daraus wurde ein merkwürdiger, aber gelungener Film.

Stefan Sagmeister sucht das Glück – und das ist komisch, traurig und interessant, oft alles zugleich. Er tut es, wie's seine Art ist, sehr systematisch, geordnet, in einem geradezu wissenschaftlichen Selbstexperiment: Er versucht, sein Glücksbefinden – das, wie die Glücksforscher wissen, am besten zu messen ist, indem der Proband sagt, wie er sich fühlt – auf drei Arten zu steigern, mit Meditation, Therapie und Medikamenten.

Die Meditation bringt ihm Rückenschmerzen, die Psychotherapie schlägt schon besser an, doch am wirksamsten scheint, nach einer anfänglichen Down-Phase, die Medikation mit dem Antidepressivum Lexapro. Wäre da nicht ein Störfaktor in der Versuchsdurchführung: Im Laufe aller drei Experimente verliebt sich Sagmeister, und im dritten am stärksten. Lag es am Lexapro? An der Frau? An der Jahreszeit? An Nick Cave, dem die beiden zuhören, wie er „Into My Arms“ singt? Man weiß es nicht. Und dann schwindet die Liebe, wie's halt so geht, am Ende sieht man Sagmeister wieder allein, mit Luftballons, über die Leichtigkeit des Seins sinnierend . . .

Es ist kein Ende, natürlich nicht, Sagmeister lebt ja weiter. Im Gegensatz zu seinem Ko-Regisseur, Hillman Curtis, der während der Dreharbeiten an Krebs gestorben ist. Auch das ist Teil des Films, das verstärkt die melancholische Grundstimmung, die jedem Epikureismus, jedem Versuch, das Glück zu optimieren, innewohnt. Sagmeister spürt das, das spürt man, mit großen Augen geht er durch die Welt, der unsereins egal ist.

Aber sie ist ihm nicht egal, er richtet sie sich, schneidet sie zurecht, arrangiert sie, auch mit und in diesem Film. Der dadurch, ohne dass das je gesagt wird, auch ein ganz grundsätzlicher Film über Design ist: der Designer als Mensch, der sich die Welt richtet, es zumindest versucht, dabei naturgemäß scheitert. Naiv und wunderbar zugleich sind die Arrangements, in denen Sagmeister aus Dingen, aus Blättern, Zuckerwürfeln, Wurststücken, Spielkarten etc., Wörter formt. In diesen – ein wenig an Peter Greenaways Film „Drowning by Numbers“ erinnernden – Tableaus kristallisiert seine Obsession für Systematik, für das Ordnen der Dinge.

Für Kontrolle, hart gesagt. So ist eine Szene besonders berührend, in der er gesteht, dass ihm seine Experimente über den Kopf gewachsen sind. „I love making plans“, ist einer der ersten Sätze des Films; am Ende meint man, ein Mantra zu hören, dem David Byrne – wie Sagmeister ein Maniker des Ordnens – sich einst in einem Song verschrieben hat: „Stop Making Sense“. Oder? (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2016)

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