Historienfilm: Eine Liebe wie ein Kinderspiel

(c) Tobis
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Mit „Bright Star“ schildert Jane Campion die Romanze zwischen Poet John Keats und Fanny Brawne: leider weniger leidenschaftlich als kitschig. Ab Freitag.

Es ist ein altes Spiel, das man aus Kindheitstagen kennt: Wird man direkt angesehen, muss man stillstehen. Blickt der Beobachter weg, darf man sich bewegen. Macht man einen Fehler, hat man verloren. Es ist ein passendes Bild für die Liebe zwischen der handwerklich begabten Fanny Brawne (dezent: Abbie Cornish) und dem feschen Poeten John Keats (Ben Whishaw). Im Jahr 1818 treffen sie in Hampstead Heath zum ersten Mal aufeinander, und necken sich. „Meine Stickereien sind mehr wert als eure Kritzeleien zusammengenommen. Und ich verdiene Geld damit“, spricht die Pragmatikerin zum Lyriker und verlässt den Raum.

Regisseurin Jane Campion baut den historischen Liebesfilm Bright Star ganz auf Fanny Brawne auf: eine selbstbewusste junge Frau, die mit ihrer Mutter (großartig: Kerry Fox) und den jüngeren Geschwistern in einem Haushalt lebt. Die Männer sind unsichtbar und/oder abwesend: Viele Brawnes starben an der damals wütenden Tuberkulose. Campion verrennt sich ohnehin nicht in Ornamenten und Zierrat: Die gebürtige Neuseeländerin bewies schon in Das Piano, dass es nicht immer dekorativen Pomp braucht, um eine vergangene Epoche wieder aufleben zu lassen. In Bright Star vermittelt sich das Großbritannien des frühen 19. Jahrhunderts vorwiegend über die (insgesamt allerdings viel zu hübschen und viel zu wenig abgelebten) Gesichter der durchwegs guten Schauspieler, über deren Haltungen, Blicke, Handlungen und Worte.

Das Charakterstück wird zur Schmonzette

Ihrer anfänglichen Skepsis zum Trotz liest sich Fanny in das Werk von Keats ein: Spätestens wenn Campion die Verse des romantischen Poeten über farbkorrigierte Blumenwiesen wabern lässt, wird ihr Film vom anregenden Charakterstück zum betäubenden Liebeskitsch. Bezeichnenderweise hält sich auch Mark Bradshaws konzentrierte, geheimnisvolle Musik ab der zweiten Hälfte, als die Schmonzette beginnt, zurück. Das Drehbuch schrieb die Regisseurin gemeinsam mit Keats-Biograf Andrew Motion: Das garantiert vielleicht zeithistorische Exaktheit bis ins kleinste Detail, aber noch lange keine pfiffige Dramaturgie.

Überraschend, dass eine erfahrene und talentierte Filmemacherin wie Campion über so offensichtliche Fallstricke stolpert: Als würde ein Liebesgedicht keine Intimität benötigen, breitet sie Keats' lyrische Briefe an Fanny aus der Sommerkur vor den Zuschauern aus, raubt ihnen so die Anmut und macht sie zu etwas Vulgärem. Wo sich jeder schnell gedrehte Fernsehfilm in poetischen Gemeinplätzen suhlt und die romantische Ästhetik von entsprechenden Verschmutzungen nicht mehr zu reinigen ist, müsste jemand wie Campion so einen Stoff gänzlich neu denken. Stattdessen flattern die metaphorischen Schmetterlinge aus den Briefen in Fannys Mädchenzimmer, wo sie an Einsamkeit sterben und von Muttern mit dem Kehrbesen zusammengefegt werden.

Campion liebt Keats' Schreiberei so sehr, dass sie seinen Worten im Film Entsprechungen schenken wollte, darüber aber ihren eigenen Stoff verloren hat. Erschwerend kommt dazu, dass sich Campion, ansonsten durchaus für Körperlichkeiten zu haben, bei dieser Liebesgeschichte kein Stück weit Sex zugesteht. Ein von lyrischen Phrasen umspielter, leiser Kuss auf einer von Sommerlicht durchfluteten Waldlichtung muss reichen als Zeugnis der Leidenschaft zwischen John und Fanny. Zumindest ist das alles, was man in den zwei Stunden zu sehen bekommt. Was die jungen Liebenden machen, wenn man nicht hinsieht, das kann man nur erahnen. Wie damals beim Kinderspiel.

Jane Campion im Sucher, Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2009)

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