"Surrogates": Ein Gegenstück zu „Avatar“

(c) Touchstone (Stephen Vaughan)
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Neue Technik, alte Schule: solide Science-Fiction mit Bruce Willis. Surrogates fügt sich in eine lange Reihe von Mensch-Maschinen-Visionen aus dem Geiste von Fritz Langs Stummfilmklassiker Metropolis.

Erst geht es zu wie in einem Trancefilm: alles so unwirklich hier. Sogar Bruce Willis! Der spielt einen Cop, aber er sieht viel zu glatt und verjüngt aus, wie im Photoshop nachgebessert. Und dann die schreckliche blonde Perücke. Passt aber farblich zur seltsam artifiziellen Welt, die ihn umgibt: künstliches Licht, gedämpfte Neontöne, die das Spektrum des menschlichen Auges leicht zu verfehlen scheinen. Willkommen in der digitalen Zukunft. Wir leben nun in der „Surrokratie“.

In der Welt von Surrogates – Mein zweites Ich lassen sich die Menschen von den titelgebenden Roboterkopien vertreten. Entwickelt für militärische Zwecke, dann aufgrund allgegenwärtiger Kriegsentwicklungen schnell preiswert und allgemeines Gebrauchsgut geworden, wie der Vorspann rasant zeigt. Die Dienstleister von morgen legen sich in den Spezialstuhl, schließen sich an das Kontrollgerät an und schicken dann ihre „Surries“ in einen gefahrlosen Alltag.

Auch der eigenartige Digi-Bruce ist so ein Roboter. Nun muss er den ersten Mordfall seit Jahren aufklären: Zwei Surrogate wurden mit einer Wunderwaffe zerstört, dabei wurden auch die Gehirne ihrer Benutzer verflüssigt – dabei gibt es eigentlich eine Art Notfallschalterschutz. Bei Bekanntwerden des tödlichen Zwischenfalls droht das Ende der Surrokratie. Die Spuren führen das Ermittlerduo (Willis und Radha Mitchell) zum geheimnisvollen, zurückgezogenen Erfinder der Technik (James Cromwell), zur mächtigen Herstellerfirma, die ihn einst ausgebootet hat – und zum „Propheten“ (Ving Rhames), Anführer der im Wellblechhüttenreservat hausenden Robotergegner. Leicht verschleppte Dialoge und unterspielte Reaktionen auf makellosen Gesichtern sorgen für Unbehagen. Kein Wunder, dass Willis' Polizist sich nicht mehr einstöpseln möchte.

Und so beginnt sein „echter“ Einsatz erst nach der Zerstörung seines Surrogate-Cops: Schon die vertraute Willis-Glatze versichert eine Rückkehr in gewohnte Bahnen. Im Wechselspiel von übersichtlich orchestrierter Action und altbewährten Emotionen steuert der Held unweigerlich auf eine folgenschwere Entscheidung zwischen „wirklicher“ Welt und Cyberspace zu.

Ein Virtual-Reality-„Metropolis“

Surrogates fügt sich damit in eine lange Reihe von Mensch-Maschinen-Visionen aus dem Geiste von Fritz Langs Stummfilmklassiker Metropolis, ist dabei zeittypisch angelegt zwischen Virtual Reality und Videospiel – ein Gegenstück zu Avatar. Während sich James Cameron dort einer überdimensionalen Inszenierung verschreibt, setzt Jonathan Mostow hier aber auf jene ökonomische Knappheit der Regie, die er seit seinem Kinodebüt Breakdown pflegt. (Die Ausnahme war ironischerweise seine Cameron-Fortsetzung Terminator3: Da konnte sich Mostow dem Bombastdiktat der Blockbustermaschine nicht ganz entziehen.)

Gewisse Schwächen in der Konstruktion kompensiert Surrogates durch eine handwerkliche Dichte, die im heutigen Hollywood selten geworden ist: Die gewonnen Einsichten mögen nicht originell sein, aber schön, dass dieses Divertissement dafür nur kommensurable 88Minuten in Anspruch nimmt. Man könnte fast gerührt an ein geflügeltes Wort der alten Hollywood-Professionals denken: „Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich ein Telegramm schicken.“

DIE COMICVORLAGE

„Surrogates“ entstand nach dem gleichnamigen Comicdebüt von Robert Venditti (Autor) und Brett Wedele (Zeichner), 2006 mit großem Erfolg in den USA erschienen, nun auf Deutsch bei Cross Cult. Inspiriert wurde Venditti von der Häufung der Fälle, in denen Menschen wegen ihrer Internetsucht den Beruf oder Ehepartner verloren hatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2010)

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