Animationsfilm: Imposanter Biomüllturm zu Babel

(c) AP (Courtesy of Sony Pictures Animation)
  • Drucken

"Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen", ein schräges Fressabenteuer für Kinder, ohne gesundes Essen. Da fegt der Spaghetti-Tsunami durch die Stadt, die fliehenden Passanten werden von Riesenhotdogs beinahe erschlagen.

Es fängt niederschmetternd komisch an: Die Dame mit der Fackel in der Hand aus dem Logo von Columbia Pictures (nunmehr Sony) wird hinterrücks von einer Riesenbanane getroffen und fliegt aus dem Bild. Wie der Titel "Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen" stimmt einen das schon auf die bevorstehende surreale Essenskatastrophe ein: Da fegt der Spaghetti-Tsunami durch die Stadt, und die fliehenden Passanten werden vom Riesenhotdog-Regen beinahe erschlagen.

Dabei verdankt sich das ganze Desaster ja wieder einmal einem Plan zur Weltverbesserung. Endlich den Durchbruch und die Liebe der Mitmenschen, vor allem des Vaters, soll sie dem leidenschaftlichen, jedoch erfolglosen jungen Erfinder Flint Lockwood bringen. Dessen tragische Passion illustriert eine kurze, verheerende Episode aus den Jugendjahren: Er demonstriert seiner Schulklasse eine revolutionäre Idee – Schuhe zum Ansprühen – und muss prompt feststellen, dass er sie nicht mehr loswerden kann.

Eine Maschine, die aus Wasser jedes gewünschte Essen machen kann, soll Flint zum Triumph verhelfen. Und das tut sie, wenn auch nicht so wie erwartet: Beim Anwerfen saust sie in die Wolken und zerstört zuerst den bescheuerten Sardinenland-Erlebnispark, mit dem der Bürgermeister die ruinierte Fischfangstadt sanieren will. Erst als es Leckereien vom Himmel regnet, machen die vom ständigen Sardinenverzehr zermürbten Bürger den Buhmann Flint zum Helden. Nur dessen Papa, ein alteingesessener Fischer, der den Sohn mit unverständlichen Sardinenmetaphern zur Verzweiflung treibt, bleibt skeptisch – und behält natürlich recht. Unersättlich werden täglich neue Wunschmenüs aus den Wolken bestellt, Schlaraffenland-Tourismus soll für Aufschwung sorgen. Bis die überforderte Maschine durchdreht: Das Essen wird immer größer und bedrohlicher – gegen Ende greifen gar Gummibärchen-Gremlins an!

Cloudy with a Chance of Meatballs heißt die Animationskomödie im Original, nach dem gleichnamigen Kinderbuch, ein bereits 1978 erschienener US-Bestseller, von dem die Filmemacher nur die Grundidee, dass es Essen regnet, übernommen haben. Trotzdem wirkt der Film wie aus einer anderen Zeit: Während überall Rezessionsgeschichten aus dem Boden schießen, wird hier noch vor den Gefahren der Überflussgesellschaft gewarnt – als hätte das die Wirtschaftskrise nicht schon gründlich erledigt. Ein Hauch Zeitgeist bleibt dennoch: Ein Albtraum des Kinderfernsehens über ein trügerisches Land von Milch und Honig zwischen Klimakatastrophenkoller und Junkfood-Wahnwitz – gesundes Essen steht hier selten auf dem Speiseplan, sondern „All-You-Can-Eat-Vegas-Style-Buffet“. Die unverspeisten Essensreste werden einfach hinter einen Staudamm katapultiert, wo sie sich bald auftürmen wie ein Biomüllturm zu Babel.

Die Satire türmt sich somit im Hintergrund auf, die Regisseure Phil Lord und Chris Miller, Kreativkräfte u.a. auch beim TV-Hit „How I Met Your Mother“, verschreiben sich aber die längste Zeit rasanter Witzproduktion, wie sie eher auf dem kleinen Bildschirm floriert: Gedankensprunggags und plötzliche Pausen – mitten im ärgsten Maschinenbauwahn wird auf einmal still Kaffee geschlürft.

„Avatar“-Nachfolger für Imax-3-D

Das sorgt ebenso für Abwechslung wie die ungewöhnliche, fast plastilinfigurenhafte Animation: Das Vatergesicht etwa scheint nur aus Schnauzer und Augenbrauen zu bestehen – was im ansonsten etwas aufdringlich gefühlsduselnden Ende für einen starken Effekt sorgt, als Papa die Braue hebt und die nassen Äuglein zeigt.

Ansonsten ist der hauptsächliche Effektelieferant das schräge Spektakel der diversen Lebensmittelwolkenbrüche, das in überreichlichen Variationen ausgekostet wird: Auch der Aufhänger dafür, dass dieser Animationsfilm Avatar als hiesiges Zugpferd für Imax-3-D ablösen soll. Freilich muss man sagen: Das eigentlich Unterhaltsame an den Wetterwitzen funktioniert zweidimensional mindestens genauso gut.

AUF EINEN BLICK

Die Regisseure Chris Miller (34) und Phil Lord (32) haben auch als Darsteller, Drehbuchautoren, Produzenten gearbeitet. Derzeit bereiten die beiden die Kinoversion einer 80er-TV-Serie vor: „21 Jump Street“ (Tatort Klassenzimmer). Miller bringt 2011 „Puss in Boots“ heraus, ein Solo über den gestiefelten Kater aus „Shrek“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.