Premiere: Millionen für Fritz Langs ''Metropolis''

Zur ARTE-Sendung Metropolis (Restaurierte Neufassung) 6: Der dämonische Wissenschaftler Rotwang (Rudolf Klein-Rogge, re.) hat seine Geliebte Hel an Joh Fredersen (Alfred Abel, li.) verloren, sie ist bei der Geburt von dessen Sohn gestorben. Rotwang hat sie als Maschinenmensch wiedererschaffen. © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung/Transit Film GmbH.
Zur ARTE-Sendung Metropolis (Restaurierte Neufassung) 6: Der dämonische Wissenschaftler Rotwang (Rudolf Klein-Rogge, re.) hat seine Geliebte Hel an Joh Fredersen (Alfred Abel, li.) verloren, sie ist bei der Geburt von dessen Sohn gestorben. Rotwang hat sie als Maschinenmensch wiedererschaffen. © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung/Transit Film GmbH.(c) © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. ZDF.
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Nur als Filmruine erlangte Fritz Langs Science-Fiction-Klassiker Weltruhm, am Freitag läuft er erstmals seit 80 Jahren (fast) vollständig im TV und auf der Berlinale.

Eine der vernichtendsten Filmkritiken verdanken wir dem großen Schriftsteller H.G. Wells: „Unlängst habe ich den dümmsten Film gesehen“, schrieb er für die „New York Times“ 1927: „Ich glaube nicht, dass es möglich wäre, einen noch dümmeren zu drehen.“ Gemeint war Fritz Langs Science-Fiction-Epos Metropolis, das längst zum einflussreichen Kinoklassiker avanciert ist – damals ein Sorgenkind, trieb es die produzierende UFA beinahe in den Bankrott. „Six million marks! The waste of it!“, echauffierte sich Wells über die Verschwendung: Tatsächlich beliefen sich die Kosten zwar „nur“ auf fünf Mio. Reichsmark, aber der bis dahin teuerste deutsche Film war dennoch erst ein Publikumsflop.

Damit begann auch die Geschichte einer Verstümmelung, die Metropolis zum wohl meistrestaurierten Film machte – und heute mit einem Galapaukenschlag der „Berlinale“ ein Happy End finden soll: In Berlin, Frankfurt und auf Arte, beim Metropolis-Themenabend ab 20.15Uhr (Filmbeginn: 20.40 Uhr) wird erstmals eine Version gezeigt, die der über 80Jahre lange verschollenen Premierenfassung nahekommt. Bei der Uraufführung in Berlin 1927 war Metropolis4189Meter lang – das entspräche einer Dauer von 153Minuten bei 24Bildern pro Sekunde. Die nun präsentierte Fassung bringt es immerhin auf 147Minuten – fast eine halbe Stunde mehr als die bislang vollständigste Restaurierung.

Und dieses Material wurde vor zwei Jahren wieder ausgegraben: in Argentinien, wo verschrammte, auf 16-mm-Material umkopierte Filmrollen in der Cinémathèque von Buenos Aires entdeckt wurden, die auf der verschollen geglaubten Premierenfassung basierten.

„Metropolis“: Für die Amerikaner zu wirr

Ein Mythos des Kinos war durch eine Serie von Zufällen doch Wirklichkeit geworden: Denn berühmt wurde Metropolis als Ruine. Langs Großfilm über die vertikale Zukunftsstadt war schon wegen der Kosten auch für den Export vorgesehen: Den Amerikanern war die spektakuläre Mischung von bahnbrechender Tricktechnik, monumentalen Bauten, mythischem und politischem Brimborium zu wirr. Der Symbolismus laufe Amok, hieß es bei Paramount, das den Film um eine halbe Stunde kürzen ließ, was die Handlung gravierend veränderte. Die Fassung sahen Wells und der spätere Regisseur Luis Buñuel, der eine Kritik publizierte: „Metropolis ist nicht ein Film. Metropolis ist zwei Filme, an der Hüfte zusammengewachsen, aber mit gegensätzlichen intellektuellen Ansprüchen.“

Tatsächlich war Metropolis viele Filme: Mangels Erfolgs wurde auch die deutsche Fassung gekürzt, ins Reichsfilmarchiv kam 1934 eine nur etwa neunzigminütige, teils nachvertonte Version. Diverse Varianten davon beeinflussten nach dem Weltkrieg Generationen von Kinomachern und -gehern. In den 70ern begann Enno Patalas, Chef des Münchner Filmmuseums, mit weltweiten Recherchen in Archiven – erschwert dadurch, dass Lang einst für diverse Märkte drei verschiedene Fassungen absegnete. In den 80ern zementierten Giorgio Moroders berüchtigter Discoremix des Films und der visuelle Einfluss auf Produktionen wie Blade Runner den Status von Metropolis als Popphänomen, der bis Avatar nachwirkt. Ab dann erscheinen Restaurierungen in Serie – aber selbst die gut zweistündige Version, die Patalas und Martin Koerber 2001 vorlegen, basiert noch auf der Paramount-Fassung.

Dabei spielten digitale Restaurierungsprozesse schon eine Schlüsselrolle, bei der jetzigen Fassung noch mehr: Die argentinische Kopie der Urkopie war in beklagenswertem Zustand, musste durch digitale Bearbeitung ansehbar gemacht werden. Heute soll dadurch nicht nur von den Kürzungen stark betroffenen Figuren (wie Fritz Rasp als „Der Schmale“) eine neue Dimension verliehen werden, die Annäherung an die Premierenfassung ist überhaupt ein Neuarrangement. Entscheidend dabei waren die damalige Zensurkarte mit allen Zwischentiteln und die Premierenmusik von Gottfried Huppertz dank genauer Hinweise auf die entsprechenden Bildinhalte in dessen Manuskript. Schon Patalas hatte immer auf den kreativen Aspekt der Filmrestaurierung hingewiesen – und so ist die heutige Fassung nicht die Wiederentdeckung eines „Director's Cut“, sondern eine vielfach verbesserte Spekulation. Jedenfalls in der Hinsicht bleibt Metropolis der definitive Fantasiefilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2010)

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