"Invictus - Unbezwungen": Nelson Mandelas Rugby-Coup

Morgan Freeman als Mandela in der Uniform
Morgan Freeman als Mandela in der Uniform "seines" Nationalteams.(c) Warner
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Im Kino: Wie Südafrikas Präsident Sport zur Versöhnung einsetzte - Clint Eastwoods 32. Regiearbeit mit Morgan Freeman und Matt Damon ist ein episches Drama über den Preis des Friedens.

Auf der einen Seite der Straße sind weiße Jungs auf dem Grün beim Rugbytraining. Auf der anderen tollen hinter einem rissigen Maschendrahtgitter schwarze Buben mit einem Fußball übers trockene Terrain. Dann kommt ein Autokonvoi die Straße entlang, aus den getrennten Welten wird interessiert über die Umzäunung geblickt. „Mandela!“, skandieren enthusiastisch die Schwarzen, während den skeptischen Blicken der Weißen ein bitterer Satz ihres Trainers folgt: „Merkt euch diesen Tag als denjenigen, an dem unser Land vor die Hunde gegangen ist.“

Klarer als diese Eröffnung kann man die Ausgangsposition kaum schildern: Clint Eastwood, zu dessen größten Tugenden als Regisseur eine fast verlorene Klarheit wie im klassischen Hollywoodkino gehört, lässt sich vom bedeutungsschweren Thema nicht beirren. Sein Drama Invictus – Unbezwungen erzählt, wie Nelson Mandela (Morgan Freeman) 1994 als frischgebackener Präsident Südafrikas mit einem ungewöhnlichen Plan die Gräben innerhalb seiner Nation überbrücken will: Er unterstützt das bei der schwarzen Bevölkerung als Symbol der Apartheid-Ära verhasste Rugby-Nationalteam, um es für die 1995 anstehende WM im eigenen Land anzuspornen.

Mandela mit fast sokratischer Skepsis

Francois Pienaar (Matt Damon), verschlossener Teamkapitän der angeschlagenen „Springboks“, wird zur Schlüsselfigur: Unter Mandelas Einfluss schwört er seine Mannen auf eine Siegesbereitschaft ein, von der sie nicht zu träumen wagten. Auch in Unkenntnis des geschichtlich verbürgten Verlaufs ist die Handlungsentwicklung von Invictus so glasklar wie ihre Inszenierung (man muss sich mit Rugby nicht auskennen, um jede Sekunde der großen Spielszene zum Schluss zu verstehen): „Inspiration“, das zu Oscar-Zeiten gern bemühte Prestigekinowort, fällt öfter, Mandelas Mission wird mit Hingabe nachvollzogen – der größte, dabei fast sokratische Skeptiker bleibt er selbst. Aber bloße Bauchpinselei ist Eastwoods Sache nicht, auch wenn Freeman den Staatsmann als unbezwingbar sympathischen, in Duktus und Gebärden glaubhaften Strategen spielt. Wie der von Damon intelligent zurückhaltend dargestellte, unsichere Sportler ist das aber keine reine Heldenrolle: Mit typischem Understatement lässt Eastwood seine historischen Heroen wie Nebenfiguren aus dem Charakterfach auftreten.

Dafür vertieft er sich mit üblicher Selbstverständlichkeit in die Details: Die Fabel um Toleranz wird stetig von dialektischen Details konterkariert. Am amüsantesten ist der Handlungsstrang um Mandelas Bodyguards: Auch die sind im Namen der Versöhnungspolitik Schwarz-Weiß kombiniert, aus dem instinktiven Misstrauen zwischen den Fronten schlägt Eastwood reichliches komisches Kapital – als der Rest des Landes in Euphorie versinkt, reicht es bei den Leibwächtern gerade zum vorsichtigen Handschlag. Auch sonst werden immer beide Seiten der Medaille gezeigt: Bei den politischen Debatten und ihren Hintergründen, bei den Alltagsmomentaufnahmen der Gesellschaft, bei der Verschränkung von Sport und Sozialem.

„Soccer is a gentlemen's sport played by hooligans, while rugby is a hooligans' sport played by gentlemen“, zitiert ein weißer Afrikaner einmal das alte Sprichwort (aus Europa), um die fußballbegeisterten Schwarzafrikaner in ihre Schranken zu weisen. Beim WM-Finale erscheint das in einem ganz anderen Licht, als die fast ausschließlich weißen Springboks auf die neuseeländischen „All Blacks“ treffen, die vor Spielbeginn ihren traditionellen Haka, den Kampftanz der Maori, abhalten: Auch die Konfrontation mit einem Land, das ganz anders mit der Nationalkultur seines indigenen Volks umging.

Tiefgründiger als eine Obama-Allegorie

Nicht nur die unbezahlbare Aufrichtigkeit, mit der Eastwood erzählt, weist ihn als letzten Erben großer Studioregisseure aus. Wie in den Klassikern eines William Wyler steckt hier unter der augenscheinlichen allegorischen Geschichte – samt vernünftigerweise heruntergespielten Obama-Parallelen – eine andere, tiefere: die von zwei Männern, die sich mit ihren Ideen gefangen nehmen, ohne sich dabei viel zu sagen zu haben. Sie verhandeln das große Thema der letzten Eastwood-Filme: Wie Friede in der Gesellschaft entsteht – und was man dafür alles aufgeben muss. Invictus ist kein Wohlfühlfilm über den simplen Sieg des Guten, sondern ein episches Drama über das schwierige Schaffen eines sozialen Kompromisses.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2010)

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