"Green Zone": Bombenjagd im Irak

Green Zone Bombenjagd Irak
Green Zone Bombenjagd Irak(c) Photo Credit: Jasin Boland
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Der Massenvernichtungswaffen-Betrug: Paul Greengrass' Irak-Thriller mit Matt Damon ist packend inszeniert, politisch kommt er um Jahre zu spät.

Die Explosion hallt durch die Straßen von Bagdad, eine Pilzwolke hängt über der Stadt. Der Irak-Thriller Green Zone geht gleich in medias res: im katastrophalen ersten Jahr der US-Besatzung, das frei nach dem detaillierten Sachbuch „Imperial Life in the Emerald City“ auf die Leinwand gebracht wird.

Etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung hier, das wird schon bei der ersten militärischen Lagebesprechung klar: Matt Damon, mittlerweile zu so etwas wie dem Gesicht des amerikanischen Idealismus gereift, spielt einen stoischen, doch engagierten Soldaten, der als Einziger aufzumucken wagt. Wieder wird ein Plan ausgegeben, wo nach den Massenvernichtungswaffen zu suchen ist, die der Hauptgrund für die Invasion im Irak sind. Nur der von Damon verkörperte GI wagt etwas einzuwenden: Bei den letzten Einsätzen hätte man nur Altmetall und Taubenkot gefunden. Ob es diesmal eine glaubwürdige Informationsquelle gebe? Sein Einspruch wird kurzerhand abgewürgt. Die Jagd nach den Weapons of Mass Destruction, den WMDs, geht weiter, ohne Wenn und Aber.

Postmodernes Actionkino

Das Material scheint wie geschaffen für Regisseur Paul Greengrass, den britischen Spezialisten für Politkrimis, der nach seiner irischen Massakerrekonstruktion Bloody Sunday den Sprung nach Hollywood geschafft hat. Dort hat er mit seiner bei der BBC perfektionierten Handkameraästhetik den zeitgenössischen Actionfilm entscheidend geprägt. Im zweiten und dritten Teil der Bourne-Agentenfilmserie hat er – mit Damon als idealem Hauptdarsteller – labyrinthische Geheimagentenverschwörungen entworfen, die in ihrer politischen Ambivalenz eher an literarische Meister des Faches wie John Le Carré denken ließen als an Robert Ludlum, den Autor der Romanvorlagen. Vor allem aber hat Greengrass dabei eine Filmsprache popularisiert, die mittlerweile die Norm ist: Selbst der „rundumerneuerte“ Bond der letzten beiden 007-Filme ist auf dieses Idiom angewiesen.

Hoch rasante Handkamerabewegungen, schnelle Schnittfolgen, bis an die Wahrnehmungsgrenze verdichtet: Der wichtige US-Filmwissenschaftler David Bordwell hat dafür den Begriff „intensified continuity“ geprägt – in diesem postmodernen Actionkino folgen die Eindrücke so rapide aufeinander, ist der Wirbel der Ereignisse so groß, dass dies sogar schon Übelkeit im Publikum ausgelöst haben soll. Es ist eine Art Überhöhung der MTV-Ästhetik, die Greengrass allerdings virtuos gebraucht: Bei allem Überdruck kann man ihm nie vorwerfen, die Abfolge der Bilder sei beliebig, was bei genügend Kollegen sehr wohl der Fall ist. So bietet auch Green Zone wieder packende Unterhaltung, während sich Damons zusehends skeptischer GI in die WMD-Affäre verbeißt: Bei gefährlichen Einsätzen und konspirativen Treffen mit Untergrundkämpfern und Fädenziehern begegnet er Figuren, die Kenner der Materie unschwer mit echten Persönlichkeiten in Verbindung bringen können, etwa Amy Reid als investigativer Reporterin, die sich zunächst aufs Glatteis führen lässt.

Die Widersacher sind die Neocons

Kein Spezialist muss man sein, um in Damons Widersacher, den Greg Kinnear mit verschlagener Expertise anlegt, einen Repräsentanten des kombinierten neokonservativen Clans rund um Präsident Bush zu entdecken (ein Schwerpunkt scheint dabei, wie meistens, auf Donald Rumsfeld zu liegen). Sie, die Schlüsselfiguren der Bush-Administration, muss Damon schließlich erkennen, haben uns belogen. Der Weg zur Erkenntnis ist auch für das Publikum spannend, nur der Einsicht selbst mangelt es an Sprengkraft: Erstens ist sie sehr simpel gestrickt – in seinen auf Fakten basierenden Arbeiten wagt sich Greengrass offenbar politisch nicht so weit vor wie in den fiktiven Bourne-Filmen, das belegte schon seine 9/11-Rekonstruktion United 93.

Zweitens kommt sie einfach zu spät: Das liegt auch an den überlangen Produktionsprozessen in Hollywood. Aber die liberalen Traumfabrik-Politfilme zeigen trotz Eigenlob fürs Engagement meist wenig wirklichen Mut. In Green Zone gibt es immerhin einen echt starken Moment – einen Gewaltakt unter Irakern, nach dem der Täter zu Damon nur einen knappen Satz sagt: „Es liegt nicht an euch zu entscheiden, was hier passiert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2010)

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