Filmkritik: "Survival of the Dead"

Filmkritik Survival Dead
Filmkritik Survival Dead(c) AP (Amy Sancetta)
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George A. Romeros "Survival of the Dead" spielt in einer archaischen Welt, die auch eine Vision der US-Außenpolitik ist. Eine kleine Insel vor der amerikanischen Atlantikküste wird zum Schauplatz des Horror-Westerns.

Es gibt nur eine Handvoll Regieautoren, die es über Jahrzehnte hinweg geschafft haben, sich selbst und ihren Themen treu zu bleiben. George A. Romero gehört dazu. 1968 revolutionierte er mit einigen Freunden aus Philadelphia den Horrorfilm, trieb ihm die heimeligen Plastikmonster der Fünfzigerjahre aus, ersetzte sie durch eine so einfache wie gnadenlos humanistische Weltuntergangsvision. In Night of the Living Deaderheben sich die Toten und ernähren sich von den Lebenden: In diversen Patt-Situationen, beinharten Konkretisierungen existenzieller Konflikte, die sich wie ein roter Faden durch Romeros Werk ziehen, verwischen die Trennlinien zwischen Mensch und Monstrum, dem Eigenen und dem Anderen.

„Ich weiß nicht, wieso die Leute Zombies sagen. Das sind doch unsere Nachbarn, das sind wir“, erzählt der 70-Jährige. Dass sein jüngstes Werk Survival of the Dead jetzt in unsere Kinos kommt, grenzt an ein Wunder. Denn die Zeiten sind nicht gut für altmodische Genre-Autoren wie Romero: Das Zielpublikum, auf das er noch bis in die Achtzigerjahre bauen konnte, lässt sich mittlerweile von großen Hollywoodstudios Blut und Beuschel frei Haus liefern – ohne gesellschaftsphilosophischen Anspruch. Nicht umsonst ist Survival of the Dead bereits der zweite Romero-Film in zwei Jahren, den er unabhängig finanziert hat: Mit Diary of the Dead (2008), einer hintersinnigen Studie über mediale Oberflächen und das Regime der Angst, kehrte er dem Studiosystem endgültig den Rücken, arbeitete seine Zombie-Mythologie noch einmal von Grund auf um.

Eine kleine Insel im Atlantik

Survival ist zum überwiegenden Teil, und im strengen Gegensatz zu seinem Vorgänger Diary, in einer archaischen Welt angesiedelt, in der moderne Kommunikationsmedien keine Rolle spielen: Eine kleine Insel vor der amerikanischen Atlantikküste wird zum Fluchtpunkt für ein paar Überlebende, zum Schauplatz von Romeros Horror-Western. Zwei Familien besiedeln Plum Island: Die Muldoons und die O'Flynns sind seit Ewigkeiten verfeindet, die plötzlich auftauchenden Zombies gießen da nur Öl ins Feuer. Denn während der eine Clan die Untoten so schnell wie möglich auslöschen will, versucht sich der andere an einer Zähmung und Versklavung derselbigen. Willkommen in Romeros Vision der amerikanischen Außenpolitik! Erhobene Zeigefinger sieht man in Survival of the Dead allerdings keine: Romeros profunder Humanismus und seine liberale Weltsicht sind bereits seit Jahrzehnten unverrückbar eingeschrieben in sein Werk, haben keinerlei Didaktik nötig.

Mit leichter Hand zerrt er jene verdrängten oder vergessenen gesellschaftlichen Pathologien an die Oberfläche, die beweisen, was ein anderer Visionär des Genrekinos, Sylvester Stallone, vor ein paar Tagen gesagt hat: „Krieg ist natürlich, Frieden ist ein Unfall.“ Es ist also ganz egal, ob Filmstudenten ihren Überlebenskampf gegen die Zombies auf YouTube stellen wie in Diary, oder ob vorindustrielle Inselbewohner mit Schrotflinten auf sie schießen. Letzten Endes macht Romero immer wieder schmerzhaft bewusst, dass der Mensch aber das eigentliche Monster ist. Was sich nach einem kulturpessimistischen Traktat anhört, ist ein gut geschriebener Unterhaltungsfilm, der merklich aus einer Zeit kommt, in der sich progressives Gedankengut und abgerissene Köpfe noch nicht gegenseitig ausgeschlossen haben. Im Gegenteil: Das eine bedingt das andere, ohne Gedärm kein Gedanke, jedenfalls im Kino dieses brutalsten und zärtlichsten aller Horrorregisseure.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2010)

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