"The Town": Die Hauptstadt der Diebe

(c) AP (Carlo Allegri)
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Mit dem Krimi bestätigt sich Filmstar Ben Affleck als versierter klassizistischer Regisseur. Mitspielen darf er auch, als Chef einer verbrecherischen Viererbande in Charlestown, dem irischen Viertel Bostons.

Es beginnt in medias res: mit einem druckvoll inszenierten Banküberfall der maskierten verbrecherischen Viererbande von Doug MacRay (Ben Affleck). Eine Yuppie-Angestellte (Rebecca Hall) wird als Geisel genommen, kurz darauf beginnt ihr MacRay nachzusteigen: Nach dem süßen, scheinbar zufälligen Kennenlernen in der Münzwäscherei beginnt eine Beziehung – und der zentrale Konflikt der Handlung. Das Rad erfindet Hollywood-Schauspieler Ben Affleck mit seiner zweiten Regiearbeit nicht neu. Vielmehr strebt er erfolgreich nach klassischer Allgemeingültigkeit. Das zeigt schon der universale Originaltitel The Town, der deutsche Zusatz „Stadt ohne Gnade“ tut dem wenig Abbruch. Die Verfilmung von Chuck Hogans Krimi „Endspiel“ baut auf eine bewährte Konstruktion: eine Verbrechergeschichte mit Läuterungspotenzial, schnörkellos und wuchtig ins irische Viertel von Boston, Charlestown, gepflockt.

Rückkehr nach Boston

Damit ist Affleck in jene Stadt zurückgekehrt, in der er schon sein bemerkenswertes Regiedebüt Gone Baby Gone angesiedelt hat: Hogans Romanvorlage (im Original etwas edelmütiger betitelt: Prince of Thieves) spielt Mitte der 90er, als von Charlestown aus organisierte Raubüberfälle auf Banken und Panzerwagen tatsächlich auf dem Höhepunkt waren. Der Film, gleichermaßen Zeitlosigkeit wie Gegenwärtigkeit anstrebend, begnügt sich mit dem knappen Einleitungstext, dass dieses Viertel die höchste Diebesquote Amerikas hat – auch wenn das in einer raren humoristischen Anwandlung im Abspann ein wenig relativiert wird.

MacRay ist der Kopf seiner Arbeiterklasse-Gang, doch schon schwebt ihm eindeutig ein anderes Leben vor: Er trinkt Antialkoholisches, während sich die Kumpels zuschütten. In einer famosen Szene erscheint sein proletarischer Partner (Jeremy Renner aus The Hurt Locker beeindruckt als James-Cagney-Typ) ungebeten während eines Rendezvous – und droht wie unabsichtlich die saubere Fassade des zum Neuanfang bereiten Gaunerfreunds zu ruinieren. Schließlich soll wieder einmal mit dem letzten Coup ein Schlussstrich gezogen werden. Erschwert wird die Situation durch einen unermüdlichen FBI-Beamten (Jon Hamm), der weiß, dass er dem Gangsterquartett dicht auf den Fersen ist, doch die irische Mauer des Schweigens nicht durchbrechen kann. (Unter den Nebenfiguren sticht Pete Postlethwaite als rattengleicher, rabiater Boss des Viertels heraus.)

MacRay, von Affleck mit sturem Macho-Pathos ausgestattet, gerät in den Zwiespalt zwischen alten Loyalitäten und neuer Liebe; dabei fehlt es seinem romantischen Gegenüber zwar an Charaktertiefe, aber Jungdarstellerin Hall hat ein ungewöhnliches Gesicht und eine fesselnde Präsenz. Überhaupt: Wo den Figurenkonstellationen und Handlungswendungen ein wenig die Originalität fehlt, wird das durch unprätentiöse Hingabe, solide Spannungsszenen und traditionsbewusste Inszenierung kompensiert: die Action, etwa eine Adrenalinschub-Autoverfolgungsjagd durch enge Gassen und der große Schusswechsel zum Finale, haben Klasse. Die Gefühlswelten mögen vertraut wirken, aber die Emotionen sind wohlverdient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2010)

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