Ein unerwarteter Triumph für George Smiley und Gary Oldman

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Mit „Dame König As Spion“ gelingt eine intelligente Verdichtung von John le Carrés Roman auf Spielfilmlänge – wenn auch mit einigen unvermeidlichen Abstrichen.

Seine wahre Kunst als Schauspieler, befand der große Alec Guinness, bestehe nicht im Agieren, sondern im Reagieren: Diese These illustrierte er mustergültig am von John le Carré ersonnenen MI6-Agenten George Smiley. Der angejahrte, um teures Geld schlecht gekleidete und auf den ersten Blick farblose Meisterspion Smiley ist nicht nur ein brillanter Kombinierer, sondern vor allem ein Genie darin, zuzuhören und sich nichts anmerken zu lassen – oder nur zu zeigen, was das Gegenüber wahrnehmen soll, eine unerlässliche Gabe in den doppelbödigen Konfrontationen von Geheimagenten.

Als 1979 die BBC-Fernsehserie nach le CarrésTinker, Tailor, Soldier, Spy (deutsch: Dame, König, As, Spion) zum Erfolg wurde, lag das auch am fesselnden Detailreichtum in Guinness' Spiel. Sein subtiler Minimalismus erlaubte dem Zuseher, aus kleinsten Gesten und Blicken Schlussfolgerungen zu ziehen: Man konnte quasi selbst etwas Spionagearbeit leisten. 1982 vertiefte Guinness die Figur in der ebenso exzellenten Serie Smiley's People (Agent in eigener Sache), da schien undenkbar, dass nochmal jemand in der Rolle triumphieren würde. Umso bemerkenswerter ist Gary Oldman als Smiley in der Kinoneuverfilmung Dame König As Spion (bei deren Titel kurioserweise die Beistriche entfernt wurden).

War Guinness schweigsam und zurückhaltend, so ist Oldman in seiner – zu Recht für den Oscar nominierten – Darstellung fast roboterhaft kühl. Nur in einer Schlüsselszene verzerrt sich sein Pokerface, sonst ist sogar in seinen Augen nichts zu lesen: Sie sind hinter dicken Brillen, oft von Reflexionen verdeckt. Perfekt für die Zentralfigur eines kopflastigen Spionagethrillers: Smiley wird reaktiviert, um einen Doppelagenten an der Spitze des MI6 zu enttarnen, das braucht Gespür für minimale Details. Alle Verdächtigen sind korruptionsanfällig: In gewisser Weise geht es für Smiley darum, den jeweiligen Grad des Verrats zu enttarnen.

Anspruchsvolles intellektuelles Puzzle

Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson setzt inszenatorisch auf vergleichbare Variationen: In Rückblenden geschilderte Szenen wandeln sich bei der Wiederholung durch neu erfahrene Ermittlungsdetails. Das ist flüssig, aber anspruchsvoll montiert: ein intellektuelles Puzzle, dessen Teile der Zuseher allein zusammensetzen muss. Ein tolles Ensemble (Colin Firth, John Hurt, Benedict Cumberbatch u.a.) hält bei der Sache.

Wichtiger als alle Nebenfiguren ist ohnehin das Dekor: Alfredsson schwelgt zwischen altmodischen technischen Geräten – und in den Stilmitteln von Agentenkrimis der 1970er. Das sorgt für eine schicke Aura, die nur bedingt zur Empire-Untergangsatmosphäre der Buchvorlage passt (in der BBC-Serie war alles einfach: verwittert).

Dennoch wird die Essenz von le Carrés Roman intelligent auf zwei Stunden verdichtet, wenn auch mit unvermeidlichen Verlusten beim Sozialpanorama und der menschlichen Dimension. Das Tragische der Vorlage wird hier ironisch abgefedert: Die verblüffendste Szene des Films kombiniert Smileys schmerzlichsten Moment mit einer Geheimdienst-Weihnachtsfeier, bei der Santa Claus in Lenin-Maske die russische Hymne anstimmt – und alle Agenten enthusiastisch mitsingen (le Carré springt in einem Gastauftritt mit erhobenem Glas auf, um als Erster einzustimmen). Am Ende steht Smiley diesmal nicht als zwiespältige Figur da, sondern betritt in edler Kleidung sein Büro als Sieger. Auf der Tonspur erklingt dazu sarkastischerweise begeisterter Applaus. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2012)

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