Suu Kyi: Die unmartialische Heldin

(c9 Concorde Filmverleih
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Michelle Yeoh brilliert in Luc Bessons ehrfürchtiger Filmbiografie „The Lady“ als Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Ab Freitag im Kino.

Luc Besson hat ein Faible für starke Frauen. Ob in „Nikita“ (1990), in „Das fünfte Element“ (1997) oder in „Johanna von Orleans“ (1998): Der Appeal seiner Heldinnen speist sich aus dem aparten Kontrast zwischen äußerlicher Fragilität und martialischem Kampfgeist. Auch Bessons letzter Streich, das Biopic „The Lady“, ist einer zugleich zarten und starken Frau gewidmet: der burmesischen Freiheitskämpferin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Das reale Vorbild hat vergangenen Sonntag mit ihrem Wahlsieg in Burma Schlagzeilen gemacht (siehe Kasten).

„The Lady“ – so wird die friedvolle Freiheitskämpferin in Burma respektvoll genannt – beginnt in Suu Kyis Kindheit und malt Burma als farbenprächtiges, surreal-paradiesisches Idyll. Das macht den darauffolgenden Schock, die Ermordung von Suu Kyis Vater, General Aung San, umso dramatischer.

Beschauliches Leben in Oxford

Wer sich jedoch nach dem rasanten Beginn ein schnell geschnittenes, knallbuntes Besson-Actionspektakel mit einer kickboxenden Michelle Yeoh erwartet, wird enttäuscht. Nach dem spektakulären Einstieg nimmt der Film 40 Jahre später den Faden wieder auf: Suu Kyi (Michelle Yeoh) lebt ein beschauliches Leben im englischen Oxford, ist mit dem Tibetologen Michael Aris (David Thewlis) verheiratet und hat zwei Söhne (Jonathan Raggett, Jonathan Woodhouse).

Der Schlaganfall ihrer Mutter zwingt Suu Kyi dazu, nach jahrelanger Absenz wieder nach Burma zurückzukehren. Ihr Besuch fällt in die Zeit der Studentenunruhen, die von der Militärdiktatur blutig niedergeschlagen werden. Gedrängt von den regimekritischen Intellektuellen, die sich in ihrem Haus in Rangoon versammeln, willigt Suu Kyi ein, das Gesicht für eine Partei zu werden, die Burmas Wandel zur Demokratie einleiten soll. So tritt sie ohne mit der Wimper zu zucken in die Fußstapfen ihres ermordeten Vaters.

Der Film nimmt sich viel Zeit (über zwei Stunden), um seine Geschichte zu erzählen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn das gedrosselte Erzähltempo der Komplexität der Charaktere zugute käme. Doch Besson hantelt sich etwas ungelenk an den dokumentarischen Fakten entlang. Die biedere Ästhetik erinnert noch am ehesten an US-Miniserien. Das gilt leider auch für den fast unerträglich kitschigen Sound-Teppich des langjährigen Besson-Begleiters Eric Serra.

Die respektvolle Distanz der Regie zur Persona Aung San Suu Kyi überträgt sich auf den Zuschauer. Der Konflikt, den Suu Kyi mit sich austragen muss, als sie vor die Wahl gestellt wird, Burma für immer zu verlassen, um ihren krebskranken Mann zu pflegen, oder sich weiterhin, in Trennung von ihrer Familie, ihrer politischen Mission zu widmen, lässt sich dank des subtilen, zurückgenommenen Spiels von Michelle Yeoh zwar erahnen. Letztlich bleibt der emotionale Bodensatz, aus dem ihr Heroismus sich nährt, aber unfassbar. Nur selten weicht die Kameraführung vom dokumentarischen, distanzierten Erzählgestus ab, um die Handlung aus einer weniger klassischen Perspektive zu kommentieren. Die wiederholte vorsichtige Annäherung an Suu Kyis schmale Schultern von hinten deutet die Last an, die diese fragile Person (Yeoh nahm für die Rolle zehn Kilo ab und sieht ihrem realen Vorbild auch sonst zum Verwechseln ähnlich) zu tragen hat.

Der Mann ordnet sich bedingungslos unter

Guten Willen kann man der Produktion wirklich nicht absprechen. So wird auch erzählt, wie Suu Kyis Mann, Michael Aris, mit den beiden Söhnen allein das Leben in England meistert. Wie er den Entschluss seiner Frau, in Burma zu bleiben, um den Demokratisierungsprozess voranzutreiben, bedingungslos unterstützt und ihr schließlich, um in England nicht untätig herumzusitzen, zur Nobelpreisnominierung verhilft. Die Familie bleibt in jedem Augenblick so idealtypisch altruistisch und ordnet sich Suu Kyis Mission so bedingungslos unter, dass es schon beinahe nicht mehr glaubwürdig ist.

Was der Film trotz aller Schwächen vermittelt, ist die aufrichtige Bewunderung für eine Frau, die ihre eigene Freiheit opfert, um ihrem Land eine Zukunft zu geben. Und im Gegensatz zu Luc Bessons anderen Filmheldinnen erreicht Suu Kyi ihr Ziel auf einem völlig unmartialischen, friedvollen Weg.

Zur Person

Aung San Suu Kyi, geboren 1945, setzt sich seit den späten Achtzigern für die Demokratisierung von Myanmar (Burma) ein. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. 1990 errang sie an der Spitze der NLD (National League for Democracy) drei Viertel der Parlamentssitze, wurde dann aber von der Militärjunta unter Hausarrest gestellt, der erst 2010 aufgehoben wurde. Am 1.4.2012 gewann sie bei den ersten freien Wahlen in Burma – Nachwahlen zu den Parlamentswahlen 2010 – 40 von 45 Sitzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)

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