"Dark Shadows": Camping-Ausflug mit Johnny Depp

(c) Courtesy of Warner Bros. Picture
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Tim Burtons Neuauflage einer amerikanischen Kultserie macht aus einer merkwürdigen Vampir-Seifenoper eine halbgare Klischee-Komödie.

Für geraume Zeit wurde Tim Burton als einer der vielversprechendsten Filmemacher Hollywoods gehandelt, aber im Lauf der letzten Dekade hat sich endgültig gezeigt: Er ist allenfalls ein Gestalter von Themenparks. Die viel zitierte Burton-Sensibilität – barocke Ausstattungsorgien, Schauerromantik und dunkle Ironie, meist verankert durch Stammschauspieler Johnny Depp – ließ der Regisseur in hübsch dekorierten, aber wenig pointierten Verfilmungen einschlägig vorbelasteten Werken angedeihen. Dann durfte Depp als (Michael Jackson ähnelnder) Besitzer Willy Wonka durch Roald Dahls Schokoladefabrik paradieren, als Stephen Sondheims Killer-Barbier Sweeney Todd singend Kehlen aufschlitzen oder als verrückter Hutmacher Lewis Carrolls Alice auf ihren Abenteuern begleiten.

Alles Filme, die augenscheinlich burtonesk daherkommen – aber was die Substanz dieser Burton-Behandlung sein soll, ist immer zweifelhafter geworden. Der Endpunkt dieser Entwicklung ist „Dark Shadows“, die Kinoversion einer in Europa kaum bekannten Kultserie, die von 1966 bis 1971 im US-TV eine Sonderposition einnahm. Konzipiert hatte sie Dan Curtis, für eine Dekade Schlüsselfigur des makabren Fernsehens.

Das Original: eine übernatürliche Teeparty

„Dark Shadows“ war „die sicherlich seltsamste Seifenoper, die jemals in der Glotze lief“, schrieb später Fan und Bestsellerautor Stephen King in seinem Horror-Streifzug „Danse Macabre“: „Ursprünglich als Gegenstück zu den weichgezeichneten Schauerromanen für Frauen gedacht, welche damals als Taschenbuch so populär waren, entwickelte sie sich zu etwas ganz anderem. Unter Curtis' inspirierter Hand wurde ,Dark Shadows‘ zu einer Art übernatürlicher, verrückter Teeparty (sie kam sogar zur Teestunde um vier Uhr nachmittags), und die hypnotisierten Zuschauer bekamen ein komisch-ernstes Panorama der Hölle vorgesetzt – eine unheimlich fesselnde Kombination von Dantes neuntem Kreis und Spike Jones.“

Es dauerte allerdings ein Jahr, bis die Schauersaga von der Gouvernante, die im unheimlichen Örtchen Collinwood ankommt und im dortigen Herrenhaus Quartier bezieht, praktisch von einem Nachmittag auf den andern zum Erfolg wurde: Curtis schrieb kurzerhand einen Vampir in die stockende Serie. Familienoberhaupt Barnabas Collins wurde nach Jahrhunderten aus der Gefangenschaft in seinem Sarg befreit – und sein Darsteller Jonathan Frid prompt zum Star. (Frid verstarb vor einem Monat, in Burtons Film hat er einen Gastauftritt.)

Selbstverständlich spielt Johnny Depp für Burton Barnabas: Mit langen Fingernägeln, altmodischer Wortwahl und bleichem Gesicht unter Make-up-Schichten – er erinnert schon wieder manchmal an Michael Jackson – findet er sich in einer neuen Zeit wieder, nachdem der Vorspann durch eine Liebestragödie braust. Im 18.Jahrhundert war Barnabas von einer eifersüchtigen Hexe (Eva Green) in einen Vampir verwandelt worden, nachdem sie seine wahre Liebe in den Tod getrieben hatte. Im Jahr 1972 wird er zufällig aus Sarg und Ketten befreit, saugt frisches Blut aus seinen Rettern und zeigt sich erst einmal verwirrt vom Anblick eines riesigen M(cDonald's-)Zeichens und dem „Dämon“ Auto, bevor er in den Familiensitz zurückkehrt. Mehr Eindruck als die Sippe (mit Michelle Pfeiffer als Matriarchin) macht die Collinwood-Villa, von Burtons bewährtem Szenenbildner Rick Heinrichs als ornamentale Orgie aus verfallenem Luxus, Geheimgängen und Kronleuchtern konzipiert.

Die Figuren dagegen bleiben bekannt wirkende, knappe Klischees: Der fortgesetzte Kampf mit der Hexe, die noch immer als örtliche Magnatin dem Collins-Clan das Leben schwer macht, sorgt für angelegentliche Action-Abwechslung, ohne besonderen Eindruck zu hinterlassen. Den sucht Burton vielmehr in Klischee-Komik über die Ära: jede Lavalampe ist ein Lacher, während eine Gruppe Kiffer von der Tiefe eines Barnabas-Zitats (aus dem damaligen Bestseller „Love Story“) überwältigt wird und eine sorgsame Soundtrack-Selektion von Barry White über The Carpenters bis zu The Moody Blues („Nights in White Satin“) das Nostalgiegefühl maximiert. Alice Cooper hat gar einen Gastauftritt und hebt einige vielversprechende Sekunden an, sein Meisterwerk „The Ballad of Dwight Fry“ zu singen ... aber es geht eher um den Running Gag, dass Barnabas Alice konsequent für eine Frau hält.

Die Neuauflage: selbstironischer Trash

Wo Dan Curtis 1970 in seiner eigenen Filmversion der Serie, „House of Dark Shadows“, die Vampirgeschichte erfolgreich blutiger machte, gerät sie Burton bei allem Kunstblut anämisch: Drehbuchautor Seth Grahame-Smith (bekannt für „Mash-up“-Romane wie „Abraham Lincoln: Vampire Hunter“) dünnt die 1255 Folgen der Serie – in den USA eben als 131-DVD-Sargbox erschienen – aus, aber vor allem ist der Zugang trotz Beteiligung von ausgewiesenen Fans des Originals wie Burton, Depp und Pfeiffer zu selbstironisch.

Spottbillig in windschiefen Sets gedreht, war „Dark Shadows“ eine erste Mainstream-Manifestation der übertriebenen Camp-Ästhetik. Wie Susan Sontag 1964 in ihren einflussreichen „Notes on Camp“ anmerkte: „Man muss zwischen naivem und absichtlichem Camp unterscheiden. Reiner Camp ist immer naiv. Camp, der weiß, dass er Camp ist (,Camping‘) ist normalerweise weniger befriedigend.“ Das gilt auch für Burtons teuer-trashigen Camping-Ausflug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2012)

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