Altern im Kino: Jane Fonda in der Senioren-WG

(c) Lunafilm (Huma Rosentalski)
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Trendbewusst schickt die französische Altstar-Komödie „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ die 68er in den zweiten Wohlstands-Frühling. Der Senioren-Wohlfühlfilm wird dabei zur Marke. Ab Freitag im Kino.

Für immer jung? Die kommerzielle Laufbildproduktion verschreibt sich hauptsächlich der sogenannten „werberelevanten Zielgruppe“ zwischen 14 und 49 Jahren, und besonders Hollywood hat den Teenager zum Maß aller Dinge erhoben. In einer Gesellschaft, die zunehmend älter wird, hat sich allerdings ein gegenläufiger Nischenmarkt herausgebildet. Im sogenannten Arthouse, dem einstigen Programmkino für gehobenere Ansprüche, ist diese Überalterung besonders zu spüren. Das junge Publikum schwindet, auch weil sich das Angebot immer mehr an ältere Semester richtet.

Der Senioren-Wohlfühlfilm wird dabei zur Marke, auch ambitioniertere Arbeiten handeln öfter von Sex, Verfall oder Tod im Alter – wie Andreas Dresens „Wolke 9“ oder Michael Hanekes Sterbehilfe-Kammerspiel „Amour“. Einige Kritiker verwiesen sarkastisch, aber nicht unberechtigt auf das allegorische Potenzial von Hanekes Cannes-Gewinner: ein Arthouse-Kunststück über den Tod des Kunstfilms und seines Publikums.

Solch sinistre Gedanken werden in den Feelgood-Filmpendants durch sommerliche Leichtigkeit ausgehebelt. Vor Kurzem reisten in der britischen Komödie „Best Exotic Marigold Hotel“ Pensionäre (u.a. Judi Dench und Maggie Smith) zum beglückenden Neuanfang nach Indien. Die französische Variante präsentiert sich nun weniger exotisch, aber ebenso gefällig und altstar-abgesichert: Jane Fonda, Pierre Richard, Geraldine Chaplin, Claude Rich und Guy Bedos spielen langjährige Freunde über 70, die beim Diner auf die titelgebende Frage kommen: „Und wenn wir alle zusammenziehen?“

Weichzeichner: Begräbnis im rosa Sarg

Ein Anlass kommt bald: Rich spielt den Satyr der Gruppe, besessen von erotomanischen Brustbildern und Prostituierten. Bis zum Herzinfarkt beim Treppensteigen zum Stelldichein: Da schiebt ihn der Sohn ins Pflegeheim ab. Flugs holen ihn seine Freunde in eine Villa, wo man sich zwischen Rotwein und Antiquitäten mit Wohlstands-Wohngemeinschafts-Zusammenhalt versorgt. Abgesehen von Altersbeschwerden und alten Geschichten: Richards Figur leidet an zeitweiliger Demenz und flutet mit Badewasser die Wohnung, das Aufdecken verjährter Affären führt zu absurden Eifersüchteleien. Regisseur-Autor Stéphane Robelin will sympathischerweise die ernsten Seiten nicht ausklammern, mildert sie aber mit Weichzeichner-Taktik: Fonda spielt eine Frau mit tödlicher Krankheit, verschweigt sie nobel dem Gatten (Richard), findet dabei Befriedigung im Planen ihres Begräbnisses – im rosa Sarg nach einem sanften Ende im Freundeskreis.

Auch sonst erlaubt der sanfte Rosaton einer Farce den Schauspielern, mit untrüglichem Boulevard-Instinkt zu brillieren: Bedos mokiert sich als alter Revoluzzer, dass die Polizei nur junge Demonstranten festnehme, Viagra-Witze führen zu Masturbations-Diskussionen zwischen Fonda und dem einzigen Jüngeren, der die Alten versteht: einem Studenten, der zur Recherche kommt und als aufmerksamer Stichwortgeber bleibt (Daniel Brühl als Repräsentant deutscher Koproduktion). Man mag schmunzeln über die Umkehr der Rollen: einst war im jugendorientierten Arthouse-Kino Menschen über 30 höchstens zu trauen, wenn sie William S. Burroughs oder Johnny Halliday waren.

Die Besetzung der 74-jährigen Hippie-Ikone Jane Fonda betont, dass der Film auch ein Märchen vom (kauzigen) zweiten WG-Frühling der 68er-Generation ist. Jenseits von Starnamen wie Fonda ist deshalb die Altersdiskriminierung im Arthouse aber nicht aufgehoben: Am 29.Juni startet mit dem französischen Lustspiel „Copacabana“ noch ein solides Starvehikel mit schwammigen Rändern. Einer Tochter ist ihre unkonventionelle Alt-68er-Mama so peinlich, dass die nicht zur Hochzeit darf. Der Hippie-Part ist eine der neuen „Altersrollen“ für Isabelle Huppert, die mit Lust an exzentrischem Gehabe und Kostümen als Komödiantin reüssiert. Huppert ist 15 Jahre jünger als Fonda.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2012)

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