Benebelter Kitsch, Gedröhn: Junges Theater aus Frankreich

Benebelter Kitsch Gedroehn Junges
Benebelter Kitsch Gedroehn Junges(c) APA/NEUMAYR/MMV (NEUMAYR/MMV)
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"Éternelle Idole" und "This is how you will disappear" beim Young Directors Project - ein aufwendig verpacktes Ärgernis.

Aus nicht ersichtlichem Grund durfte die französische Regisseurin Gisèle Vienne mit der Compagnie DACM beim Young Directors Project der Festspiele mit zwei Stücken aufwarten, die am selben Abend Premiere hatten. Zuerst wurde am Samstag in der Eis-arena im Volksgarten das zumindest für Österreich neue Gastspiel „Éternelle Idole“ gezeigt, im Anschluss daran im Republic „This is how you will disappear“, das 2010 beim „Steirischen Herbst“ gespielt worden war.

Leider hat das neue auch das ältere Werk entzaubert. Ein kaltes Ärgernis im Eispalast deckt auf, dass die intensivere Scharade im ehemaligen Stadtkino, die zwar effektvoll ist, bei näherer Betrachtung ebenso simpel gestrickt ist. Solche Inszenierungen mit penetranter Vorspiegelung von Bedeutung konterkarieren den hohen Anspruch der Festspiele. Kein gutes Jahr für den ausgelobten Preis von 10.000 Euro für erklärtermaßen talentierte internationale Jungregisseure.

„Éternelle Idole“ ist ein Spiel fast ohne Worte, aber geschwätzig im Nichtssagenden. Ein Wartungsgerät schrubbt übers Eis, wo für gewöhnlich die EC Oilers Salzburg auftreten. Bedrohlich wummert elektronische Musik. Ein Mann im hellen Trainingsanzug zeichnet in der Mitte mit einem Riesenzirkel einen imaginären Kreis. Dann darf Aurore Ponomarenko als Eisläuferin ein wenig posieren, trainieren, sogar Pirouetten und Sprünge machen, während die Musik von Stephen O'Malley weiterwabert. Nach einer Viertelstunde und verstärktem Grollen drehen 21 Mädchen der Eisunion Salzburg ihre Runden, in kurzen Rücke, hellen Strümpfen, mit langen dunklen Haaren. Was sagt uns das? Lauter Lolitas, wie die Künstlerin im Vorfeld im Interview raunte? Oder nur das Kaschieren mangelnder Einfälle?

Nach dem Abgang der Minderjährigen hört man Kratzgeräusche. Die Burschen der Oilers treten auf – entspanntes Training mit den Stöcken. Ein paar lässige Schüsse aufs Tor. Was bedeutet das? Sind Männer brutal? Kurz tanzt ein Cheerleader-Girl im Hintergrund. Alles geht ab. Da ertönt ein Crescendo von Glocken, abgelöst von einem Knacken. Wieder erscheint die Eisprinzessin, wird von einem Trainer umarmt. Noch ein paar Tänzchen, Nebel kommt auf, ein Unhold mit Riesenhänden greift nach der Tänzerin und schleppt die Entseelte ab. Der Nebel verstärkt sich, ein Ufo ist gelandet. Orgelklang, es brummt und vibriert. Mehr war in 45 Minuten wirklich nicht, und das war zu viel.

Ein echter Raubvogel rauscht davon

Etwas dichter, aber doch auch nebulos ist das zweite Stück. Die Bühne des Republic bedeckt ein beeindruckender dunkler Wald. Dort treibt sich schon wieder Jonathan Capdevielle als Trainer herum, gräbt im Boden. Seine Partnerin ist diesmal eine Kunstturnerin (Margrét Sara Gudjónsdóttir). Sie demonstriert ihre Athletik, untermalt von elektronischer Musik. O'Malley wurde von Peter Rehberg bei dieser Komposition unterstützt. Die klingt meist bedrohlich, doch als dauerndes Rieseln und lästiger Schmerz verliert sie schließlich an Spannung, das ist man von B-Movies gewohnt. Das Dröhnen und Beben und Zwitschern ist noch intensiver als im Eispalast, die Handlung monoton.

Training: Handstände, Sprünge, Dehnübungen. Hier quält sich eine gar sehr, hier quält einer arg. „Be perfect or I'll kill you!“, droht der Unhold. Da weiß man: Im Wald herrscht der Wolf. Ein Rockstar wird zusammengeschlagen. Er behauptet zuvor, seine Freundin getötet zu haben. Jetzt muss er bluten. Ein Bogenschütze taucht auf, ein Raubvogel landet, peckt herum, rauscht ab. Der Wald steht schwarz und tönt – Projektionsfläche für stimmungsvolle Lichteffekte, Resonanzraum für befremdende Töne. Er riecht sogar vertraut. Immer wieder aber zieht Nebel auf. Dafür ist sogar ein eigener Nebeltechniker beschäftigt. Wenn man den ranlässt, hüllt er ganze Räume ein. Noch ein Nachtvogel. Dann hört man nach 75 Minuten nur noch Dröhnen, aber auch das bleibt schleierhaft in diesem benebelten Kitsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2012)

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