Erwin Schrott: "Ich lebe im Heute!"

Demnächst ist Erwin Schrott mit seiner Show "Rojotango" im Museumsquartier zu erleben. Hier spricht er über Familie, Erziehungsprinzipien und Verehrerinnen.

TIPP

Fragen nach seiner Partnerin Anna Netrebko mag er nicht. Sonst ist der 40-jährige uruguayische Bassbariton Erwin Schrott aber ein entspannter Gesprächspartner. Bis 2017 ist er ausgebucht. Im Haus am Ring singt er am 6.  Oktober den Doktor Dulcamara in Donizettis „L’Elisir d’Amore“. Danach geht er mit der Staatsoper mit dem „Figaro“ auf Japan-Tournee. Anfang März 2013 kehrt er als Leporello in Mozarts „Don Giovanni“ ins Haus am Ring zurück.

Sie haben viele weibliche Fans.

Nicht nur! Natürlich ist es schmeichelhaft, wenn einen die Frauen mögen. Aber es gibt viele Menschen, die meine Kunst schätzen und sich freuen, wenn ich sie mit meinen südamerikanischen Wurzeln und dem Tango bekannt mache.

Am 10. Oktober geben Sie ein Konzert und gastieren mit Ihrer neuen Show „Rojotango“, von der es auch eine CD gibt, im Wiener Museumsquartier. Die Einnahmen dieser Charity-Veranstaltung kommen der von Anna Netrebko und Ihnen gegründeten Stiftung „AnnaAndErwin4Kids“ zugute – sowie dem Wohltätigkeitsverein der Israelitischen Kultusgemeinde Tmicha. Woher kommt der Tango?

Es gibt viele Wurzeln, vor allem afrikanische und spanische. Es gibt berühmte Musiker wie Julio Sosa oder Astor Piazzolla, aber auch Tango-Musik der Roma und der Russen, von französischen und belgischen Komponisten. Der bekannteste ist natürlich der Tango Argentino, der Tango vom Rio de la Plata und aus Uruguay, wo ich geboren wurde. „Rojo“ heißt rot. Unsere Show ist ein Streifzug durch südamerikanische Musik, wir haben nicht nur Tango, sondern auch Bossa nova aus Brasilien.

Ihre Heimat, Uruguay, ist ein multikulturelles Land. Woher kommt Ihre Familie ursprünglich?

Die Familie meiner Mutter stammt aus Spanien, die Familie meines Vaters hat österreichisch-deutsche Wurzeln, wie der Name schon sagt. Ich muss gestehen, ich weiß nicht viel darüber, wir sind schon in der vierten Generation in Uruguay, durch die Militärdiktatur gingen viele Unterlagen verloren.

Wurde Ihre Familie verfolgt?

Nein, aber meine Familie hat mehrere Male alles verloren, unter anderem auch durch die Militärdiktatur. Meine Eltern hatten eine Schuhfabrik zu dieser Zeit, konnten aber nicht mehr exportieren, weil die Abnehmerländer unser Regime boykottierten. Ich war neun, als ich das erste Mal meinem Vater bei der Arbeit geholfen habe, nicht, weil ich musste, sondern, weil ich das wollte.

Bei Charity-Veranstaltungen ist es oft so, dass nach Abzug aller Kosten wenig für die Bedürftigen übrig bleibt.

Bei „Rojotango“ und den beiden Hilfsorganisationen, die wir unterstützen, ist das nicht so. Die wunderbarsten Künstler stellen sich in den Dienst der Sache, auch ich. Wir haben die Stiftung, „AnnaAndErwin4Kids“ etabliert, damit wir uns selbst kümmern können, wohin schnell und unbürokratisch das Geld fließt, das gilt auch für Tmicha. Wer schnell hilft, hilft doppelt. Wir unterstützen ein Spital in Russland, ein SOS Kinderdorf und eine Klinik in Spanien. Die Stiftung hat schon viel Spendengeld bekommen.

Wie kamen Sie zur Musik? Tanzen Sie?

Ich tanze und spiele Klavier. Ich kann mich selbst begleiten. Das ist praktisch. Aber ursprünglich habe ich es gehasst. Meine Mutter wollte Pianistin werden, das war nicht möglich, also wurde sie Buchhalterin. Sie ließ einen privaten Lehrer für mich kommen, als ich ein Kind war, aber wir konnten uns kein Klavier leisten. Also hat mir der Lehrer eine Klaviatur aufgezeichnet, und ich musste auf dem Küchentisch Klavier lernen. Es war eine Qual, weil ich als Junge natürlich lieber Rugby und Fußball spielen wollte, aber meine Mutter war sehr strikt, und heute bin ich ihr dankbar.

Sie sind ein Einzelkind, da sind Sie sicher Gott für Ihre Mama.


Ich bin ein guter Sohn. Meine Eltern sind jetzt 70 und 71 Jahre alt. Sie sind sehr stolz auf mich. Sie sind sehr aktiv, jugendlich, sie unternehmen viel, sie tanzen auch Tango.

Wie sind Sie selbst als Vater?

Ich habe eine 14-jährige Tochter in Uruguay, die mich oft besucht, wo immer ich bin, und meinen vierjährigen Sohn mit Anna. Ich bin ein ziemlich strenger Vater, aber ich versuche, Strenge immer mit einem Lächeln zu verbinden. Es ist für mich sehr wichtig, dass meine Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Als ich Student war, konnte ich nie begreifen, dass Kollegen auf der Universität Spaß haben wollten. Ich hatte immer im Auge, dass meine Eltern sehr viele Opfer gebracht haben, damit ich studieren konnte, ich ehre und achte sie dafür. Ich sage das auch, wenn ich mit jungen Leuten rede, die nicht in die Schule gehen und nicht tun wollen, was sie sollen. Ich erinnere sie daran, dass ihre Eltern viel Mühe auf sich nehmen für ihre Ausbildung. Und ich möchte auch, dass meine Kinder das zu schätzen wissen.

Sie singen Don Giovanni und Leporello. Oft hört man, dass die zwei ähnlich sind. Was bedeutet Ihnen Don Giovanni?

Don Giovanni und Leporello sind wie Jekyll und Hyde. Es gibt nicht den einen ohne den anderen. Wir glauben, dass Don Giovanni für seine Sünden bestraft wird und zur Hölle fährt. Vielleicht hat er aber dort einen Riesenspaß?

Mit lüsternen Teufelinnen?

Ich glaube weder an den Himmel noch an die Hölle. Aber ich erinnere mich an einen Spruch, der zu Don Giovanni passt: Ich möchte lieber in der Hölle regieren als im Himmel dienen. Ich denke, dass mit dem Tod Don Giovannis die Leute um ihn herum einen Teil ihres Lebenssinnes verlieren. Sie konnten ihn hassen, über ihn schimpfen, ihn begehren, ihn verfluchen. Plötzlich ist er tot. Worüber werden sie sich künftig echauffieren? Die heutigen Don Giovannis werden nicht bestraft, das sind nicht nur Playboys, sondern Menschen mit großer Macht.

Ist es leichter, Tango oder Mozart zu singen?

Prima vista sollte man meinen, es ist leichter, Tango zu singen, und das stimmt auch, aber um richtig voll und überzeugend Tango zu singen, muss man sich genauso anstrengen wie bei Mozart.

Wo werden Sie mit 70 Jahren sein?

Ich werde bestimmt sehr dick sein! (lacht) Im Ernst: Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich lebe im Heute. Ich grüble auch nicht ständig, ob mich die Air Condition im Flugzeug heiser machen könnte. Da müsste ich mich ja ständig in einen Käfig einsperren. Man darf sich nicht dauernd Sorgen machen, sonst wird man trübsinnig.

Erwin Schrott singt „Rojotango“, eine Reise in die Welt des Tango mit Sunnyi Melles, am 10. 10., 20 h in der Halle  E des MQ, Karten: 80–180 Euro.www.oeticket.com

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