Wladimir Fedosejew und Symphoniker: Festspiele im Alltag

Wladimir Fedosejew Symphoniker Festspiele
Wladimir Fedosejew Symphoniker Festspiele(c) EPA (Alexander Natruskin / Pool)
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"Die Bilder einer Ausstellung" - wenn ein bedeutender Interpret mit einem guten Orchester arbeitet, klingen sie wie neu. Fedosejew liest, hierin wohl dem großen Vorbild Jewgeni Mrawinsky verwandt, Partituren wieder und wieder.

Nichts abgedroschener als Maurice Ravels Orchester-Arrangement von Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, möchte man meinen. Und doch: Wenn Wladimir Fedosejew – obwohl er dieses Werk auch in Wien des Öfteren dirigiert hat – ans Pult der Wiener Symphoniker geht, hört man das Altvertraute wie neu.

Fedosejew liest, hierin wohl dem großen Vorbild Jewgeni Mrawinsky verwandt, Partituren wieder und wieder. Immer neue Perspektiven bieten sich dann auch für den Musikfreund, der lauscht und plötzlich nichts mehr von dem „Impressionisten“ Ravel vernehmen kann, der da illustrative Klanggemälde virtuos koloriert hat. Plötzlich wirkt die Orchestrierung wie die drastische Verschärfung von Mussorgskis rücksichtsloser Linienführung, werden Ecken, Kanten, bewusst scharfe Kontraste betont. Man weiß, dass des Malers Hartmann „Küchlein in den Eierschalen“ gepanzerte Vögel waren. Doch hat man es bis dato kaum je zu hören bekommen. Man ahnt ja auch in weniger prägnanten Interpretationen, dass sich hinter dem „Bydlo“ oder den Grabesszenen vor der gigantischen Erlösungsvision des Finales existenzielle Botschaften verbergen könnten.

Diesmal wurde das freilich zur Gewissheit: Die „Bilder einer Ausstellung“, jenseits einer Unterhaltungsschau, ganz aus dem Menschenleben gegriffen, Seelenspiegelungen statt folkloristischer Tapete. Die Symphoniker musizieren unter der Leitung ihres ehemaligen Chefs nach wie vor vom ersten Ton eines Konzertes an unter Hochspannung, immer noch ein bisschen sensibler, wacher als gewohnt. So wird auch ein Stücklein wie Werner Egks „Französische Suite“ zu einem klanglich geschliffenen, weil fortwährend changierenden, farbigen Hörabenteuer. Und die Virtuosität von Alexandre Guilmants Orgelsymphonie in d-Moll wird effektsicher genutzt: Solist Edgar Krapp demonstriert spielfreudig, was in dem neuen Musikvereins-Instrument steckt. Und das Publikum staunt: Orgelkonzerte müssen nichts mit weihevollem Pathos zu tun haben. Sie können zündende Erlebnisse sein! sin

Übertragung in Ö1: 28. 10. (11 Uhr)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2012)

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