Domingo als Bariton: „Simon Boccanegra“ in der Staatsoper

(c) AP Bela Szandelszky
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Auch wenn der Favorit als alter Herr erscheint: Das charakteristische Timbre bestrickt die Musikfreunde in der Wiener Staatsoper nach wie vor. Placido Domingos legendäre Bühnenpräsenz ist ungebrochen.

Placido Domingo halten Wiens Opernfans die Treue. Auch wenn er mittlerweile Baritonpartien singt, um sich nicht mit allzu hohen Registern Mühe geben zu müssen: Die legendäre Bühnenpräsenz dieses Künstlers ist ungebrochen. Die musiktheatralische, genau genommen, denn mögen Domingo für eine wirklich erfüllte vokale Gestaltung der Titelpartie in Verdis vertracktester Oper ein paar tiefe Töne fehlen, es ist nach wie vor die Kombination aus stimmlicher Durchschlagskraft und darstellerischer Prägnanz, die den entscheidenden Momenten des Dramas eminente Wirkung verschafft. Der Enttarnung des Verräters Paolo beispielsweise – dem übrigens Marco Caria das rechte, verschlagen-beißende Profil verleiht. Auch die letzte Begegnung mit dem Widersacher Fiesco wird zum Ereignis, denn mit Michele Pertusi hat Domingo einen ebenbürtigen Partner: Seine Stärke liegt im höheren Stimmbereich – den nutzt er zu belcantesk-ausdrucksstarker Führung.

Das jugendliche Paar reüssiert neben den Altherren-Kontrahenten glänzend: Maja Kowalewska und Robert Do Biasio verfügen beide über helle, zu leuchtenden Phrasen fähige Stimmen, hadern beide hie und da mit einzelnen Spitzentönen, singen aber insgesamt mit berührender Hingabe. Die nötigen Stichworte liefern gute Ensemblemitglieder. Und das Staatsopernorchester realisiert Verdis mehrheitlich dunkel glühende, immer wieder von verhaltenen, unterdrückten Leidenschaften kündende Musik, wo es darauf ankommt, wirklich sozusagen hinter vorgehaltener Hand.

Maestro Evelino Pidò achtet sorgsam darauf, dass auch Fortissimi nie zu derb geraten, und schattiert vor allem die vielen stillen, farblich so vielfältig registrierten Passagen mit Bedacht. So kann manch erhellender Strahl ins Klangverließ dieser Tragödie dringen – vor allem dort, wo Amelia, die Lichtgestalt, in Erscheinung tritt. Den belcantesken Passagen schmiegen sich die philharmonischen Orchesterlinien  mit viel Sympathie an.
So wird „Simon Boccanegra“ zu einem vielschichtigen Hörerlebnis, dem das doch schon ein wenig abgeschliffene Abziehbild von Peter Steins einstiger Inszenierung inklusive dem volltönenden, aber eher ungeordnet arrangierten Chor die – allerdings niemals störende – optische Kulisse bildet. sin

Reprisen: 21., 24. und 28. Februar

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2013)

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