Wittgenstein und Schönberg: Gegen die leeren Phrasen

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Ein Podiumsgespräch im Wiener Looshaus spürte den Parallelen im Denken und Schaffen nach.

Begegnet sind sie einander nie, der jüngste Spross einer schwerreichen Industriellen- und Mäzenatenfamilie, der die Philosophie mit seinen Arbeiten zu Sprachanalyse, -kritik und Logik entscheidend verändert hat, und der 15 Jahre ältere Sohn eines kleinen Leopoldstädter Schuhwarenfabrikantenpaares, der die Musik mit Atonalität und Zwölftonmethode revolutionierte. Doch abgesehen vom unterschiedlichen sozialen Hintergrund war Ludwig Wittgensteins Wien selbstredend auch jenes von Arnold Schönberg: Adolf Loos etwa war ein gemeinsamer Freund.

Am vergangenen Wochenende beging das Arnold Schönberg Center sein 15-Jahr-Jubiläum; das Festkonzert mit Zubin Mehta, René Staar, dem Ensemble Wiener Collage und Mitgliedern der Wiener Philharmoniker ist noch bis Montag im Internet auf sonostream.tv abrufbar. Im Windschatten dieses Termins versuchten bei einem Podiumsgespräch mit Kammermusik im Looshaus in der Reihe „Dem Ton ein Wort“ der Philosoph Allan Janik (Ko-Autor von „Wittgenstein's Vienna“) und Christian Meyer (Direktor des Schönberg Centers) den Gemeinsamkeiten der zwei Geistesgrößen nachzugehen.

Meyer wies etwa auf einen 1925 entstandenen Text Schönbergs hin („Der musikalische Gedanke; seine Darstellung und Durchführung“), der durch seine fein säuberlich römisch bezifferten Hauptstücke und mit Paragrafen unterteilten Punkte strukturell an Wittgensteins „Tractatus Logico-Philosophicus“ erinnere.
Darin heißt es etwa, dass die „kunstvollere Gestaltung reicherer Gedanken“ einen Hörer voraussetze, „dessen Fähigkeit zu merken und zu verbinden der des Autors gleichkommt und hierin liegt wohl die häufigste Ursache der Schwerfasslichkeit gutgedachter neuer Musik“.

Intensive, herbe „Verklärte Nacht“

Janik betonte, dass beide gern als Techniker missverstanden würden, aber nicht zuletzt Erzieher seien, die „im Geiste von Karl Kraus das Konventionelle infrage gestellt“ hätten und bestrebt waren, Musik wie Philosophie von leeren Phrasen zu reinigen. Bekanntlich konnte sich auch Schönberg dem Einfluss der misogynen, im Fin de Siècle stark rezipierten Theorien Otto Weiningers nicht entziehen; für Wittgenstein habe Weininger eine „alternative, befreiende Denkweise“ dargestellt, meinte Janik – ein Punkt, den näher auszuführen die Zeit fehlte. Ausführlich und mit großem Impetus hingegen widmeten sich Bojidara Kouzmanova-Vladar (Violine), Matthias Bartolomey (Violoncello) und Magda Amara (Klavier) der vom Schönberg-Schüler und Pianisten Eduard Steuermann erstellten Triofassung der „Verklärten Nacht“: intensiv und passend herb.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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