Das kleine Gotteslob klingt bei Daniele Gatti sehr weihevoll

Daniele Gatti
Daniele Gatti (c) APA (ALI SCHAFLER / ORF)
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Rossini mit dem Orchestre National de France, inhomogenen Solisten, aber einem formidablen Singverein.

Als großes Sakralwerk wählte Daniele Gatti für das von Arte dokumentierte Wien-Gastspiel mit dem Orchestre National de France die „Petite Messe Solennelle“ von Gioacchino Rossini in der groß besetzten Zweitfassung – ein Stück, das offenbar eine Herzensangelegenheit für den Maestro darstellt, der dieser Tage seinen Vertrag als Chefdirigent des Klangkörpers bis 2016 verlängert hat. Er wisse nicht, ob seine „arme kleine Messe“, ursprünglich für vier Solisten, acht Chorsänger, zwei Klaviere und Harmonium gedacht, jedoch von imponierendem Umfang, nun „musique sacre“ oder „sacrée musique“ sei, witzelte der Komponist – und hatte mit seinem Wortspiel vielleicht doppelt recht.

Zumindest verflucht schwierig ist diese Kirchenmusik unbedingt zu nennen: Gerade im Tonfall ist da vieles beileibe nicht einfach zu treffen – wie etwa Marie-Nicole Lemieux bewies, die beim Agnus Dei zu opernhaft dick auftrug und an die plakative Heftigkeit einer durchschnittlichen Azucena herankam. Wer dabei aber einen Chor wie den flexiblen Wiener Singverein auf seiner Seite weiß, der in den majestätischen A-cappella-Passagen der Partitur den Goldenen Saal mit noblem, rundem Klang erfüllte und auch für deren romantisch-gefühlvollen Seiten die nötige, aber eben wohldosierte schwärmerische Inbrunst einbrachte, der hat als Interpret schon halb gewonnen. Dass es in den diesmal fast ausnahmsweise heiter-beschwingt anmutenden Fugen kleine Unstimmigkeiten im Zusammenspiel mit dem etwas zu kompakten Orchester gab, schlug sich nicht allzu störend zu Buche.

Ja, ausnahmsweise: Denn das zuweilen beklagte, manchmal aber erst recht geliebte oder gar als Ironie interpretierte Leichtgewicht der Messe war es, das Gatti entschieden leugnen wollte und alle Anzeichen dafür so weit wie möglich zurückdrängte – zugunsten weicher Kantabilität und breit, manchmal fast zu breit zelebrierter Andacht. Den Charakter eines buffonesken Marsches, der etwa gleich dem Kyrie zugrunde zu liegen scheint, löste er ganz ins Pastose auf – und begleitete den eine Spur zu heldisch forsch agierenden Saimir Pirgu etwa beim „Domine Deus“ im gleichen Gestus. Gattis detailverliebter, von einigen emphatischen, fast manieriert zu nennenden Dehnungen charakterisierter Lesart setzte unter den Solisten am ehesten Barbara Frittoli Natürlichkeit entgegen: Das tönte innig und auf höherer Ebene schlicht. Dankbarer Applaus. wawe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2013)

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